Obwohl ich meinerseits eher skeptisch bin und glaube, dass die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft in Russland dazu benutzt werden wird, die Zuschauerinnen und Zuschauer ideologisch bis zum Überdruss zu bekneten, will ich den Versuch wagen, mich auf das Ereignis im positiven Sinne ein wenig einzustimmen. Ein guter Anlass war das gestrige Pokalfinale zwischen dem bayrischen Staatsverein und Eintracht Frankfurt. Letztere gewannen das Spiel souverän, was den Monopolisten erzürnte und seine schlechten Seiten dokumentierte und zeigte, wie Ausnahmen im kalkulierten Machtspiel das Publikum beglücken können.
Es war so, wie es in den letzten Jahren immer war. Bayern München war gesetzt, auch wenn das ewige Gerede von einem Triple wieder einmal gegen Real Madrid verstummt war. Aber das Double, meine Herrschaften, wir bitten Sie! Nur hatten die Münchner Aufsichtsräte, Präsidenten und Anteilseigner gestern den Falschen gebeten. Frankfurt machte das, was der Reporter dem Team als Kernqualität bescheinigte und quasi als Anspielung auf die vielen Akteure vom Balkan auf Frankfurter Seite einen leichten kulturellen Seitenhieb enthielt: Sie verdarben den Bayernspielern die Freude am Spiel. Dem bezahlten Redundanz-Redner der Fernsehanstalten sei kein Vorwurf gemacht, der Affront kam aus dem Unbewußten, und, was die Wirkung anbelangte, stimmte seine Aussage. Dass die Fähigkeit bei den Menschen vom Balkan besonders ausgeprägt ist, ist die Überprüfung jedenfalls nicht wert.
Jeweils reichten einer aggressiv pressenden Eintracht zwei Konter des durch seine Schnelligkeit und Konsequenz überragenden kroatischen Nationalspielers Ante Rebic, der seinerseits über ein Jahresgehalt verfügt wie die Münchner Balljungen, um Bayern München Schachmatt zu setzen. Dass in dem Spiel noch reklamiert wurde, dass Videobeweise herangezogen wurden, dass sich der Monopolist benachteiligt und verschaukelt fühlte, alles das änderte nichts an der taktischen Überlegenheit Frankfurts, das nach der alten chinesischen Generalsweisheit zu agieren schien: Kennst du deine Feinde, kennst du dich selbst, hundert Schlachten ohne Schlappe! Und so geschah es. Am Schluss hieß es 3:1 für Frankfurt und der Pokal steht nun in einer Vitrine am Main.
Wie es mit der Psyche von Monopolisten steht, die nicht den gewohnten Löwenanteil serviert bekommen, konnte nach dem Spiel beobachtet werden. Die nicht ans Verlieren gewöhnten Akteuere verschwanden lautlos in den Katakomben, ohne dem Gewinner den nötigen Respekt zu zollen. Von dem aus dem dem Ruhrpott stammenden Hermann Gerland, seinerseits ewig in bayrischen Diensten, stammt der, angesprochen auf das ewige Bayerndusel, kluge Satz: Immer Glück ist Können. Da ist sicherlich etwas dran. Gestern gab es kein Dusel, weil die anderen auch etwas konnten und weil es wohl so war, dass manchem Spieler die Bedeutung des „Kinder-Pokals“ etwas zu sehr entglitten war.
Es war das letzte Spiel der Legende Jupp Heynckes. Er wurde und wird verabschiedet von den bayrischen Chronisten als einer der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte, der die Bayern in dieser Saison aus dem Desaster eines Versagers wie Ancelotti rettete. Von den Ergebnissen war der Italiener besser. Aber was soll es, das Narrativ zählt, nicht die Fakten. Sicher ist hingegen, dass mit Jupp Heynckes ein großer Sports- und Gentleman die Bühne verließ, der das allgemeine Niveau des Staatsvereins von der Isar immens gehoben hat. Möge er die ihm hoffentlich in großer Anzahl verbliebenen Tage der Kontemplation im flachen, regnerischen Land des Niederrheins genießen.
Und mögen uns bei der kommenden WM Streiche wie die gestrigen des Ante Rebic in großer Zahl überraschen.
