Hugo Portisch. Leben mit Trump: Ein Weckruf
Was in der Bundesrepublik Deutschland einen Sturm der Entrüstung und jede Menge moralische Empörung hinterließ, auch im Gewerbe des Journalismus, hat bis heute nicht zu dem geführt, was von der Berichterstattung verlangt werden kann. Nämlich eine von Emotionen weitgehend befreite Analyse der Geschehnisse und der daraus abzuleitenden Fragestellungen für die Zukunft. Gemeint ist die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA und seine bis heute an den Tag gelegte neue Form der Regierungsführung. Zu viele aus dem Genre der professionellen Beobachter hatten auf die Unmöglichkeit eines solchen Ereignisses gesetzt und waren von der dann eintretenden Realität zutiefst schockiert.
Hugo Portisch nun ist ein seit Jahrzehnten ein vertrautes Gesicht des österreichischen politischen Journalismus. Er stand schon immer für die Nähe zum berichtenden Gegenstand und eine sehr auf verifizierbare Fakten basierende Berichterstattung. Auch er hat sich dem Thema Trump unter dem Titel „Leben mit Trump. Ein Weckruf“ gewidmet. Die kleine Schrift hebt sich wohltuend von den emotionalisierten und unsachlichen Arbeiten ab, die bis jetzt noch die deutsche Berichterstattung durchziehen.
Um gerade die hochgeschlagene Stimmung zu deeskalieren, beginnt Portisch mit seinen Erfahrungen der Präsidentschaftswahlen von Kennedy bis heute. Und indem er von Morden an Pfräsidenten und Kandidaten wie an Impeachmentverfahren erinnert, relativiert er den momentanen Schock, unter dessen Einfluss alles bisher Gewesene als heile Welt erscheint. Nach dieser dramaturgisch klugen Einleitung inszeniert Portisch Szenarien, was global von Trump und seinem zu erwartenden Partner oder Counterpart Putin zu erwarten ist. Er mahnt jedoch die Europäer, nicht wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen, sondern selbst initiativ zu werden.
Neben der Versachlichung des Themas Trump ist es Portisch auch gutzuschreiben, dass er nicht in eine apologetische Position gegenüber der gegenwärtigen Europäischen Union verfällt, wie das zumeist in Deutschland der Fall ist, sondern sehr wohl den inneren Reformbedarf einklagt. Daraus leitet er dann außenpolitische Strategien ab, die durchaus sinnvoll erscheinen, auf historischen Erfahrungen basieren und einem überhitzten ideologischen Wettrüsten, dass sich in einem neuen Kalten Krieg manifestiert, keine Chance zu geben.
Wohl gespeist aus den österreichischen Erfahrungen mit der Sowjetunion geht er soweit, Russlands Sonderinteressen in der Ukraine anzuerkennen und mit Mitteln wie Anwärterstatus der Ukraine in die EU als Dauerzustand und besondere Handelsabkommen Russlands mit dem Donbass zu verhandeln. Das weicht immens ab von den aus Deutschland zu hörenden Hardliner-Positionen, die konsequent die russische Sichtweise negieren, sich durch einen NATO-Gürtel vom Baltikum bis zu Schwarzen Meer bedroht zu fühlen.
Ob die Positionen und Vorschläge, die Portisch nach einer Analyse der zu erwartenden Außenpolitik Donald Trumps von den Europäern adaptiert werden, steht noch dahin. Die Argumente, die Portisch liefert, sind in hohem Maße plausibel, sie haben historische Bezüge und sie bewegen sich auf dem Niveau eines vernünftigen Diskurses. Insofern hebt sich die kleine Schrift positiv von dem durch den Schock verursachten Schrei der Empörung ab. Es ist längst Zeit, sich wieder des Verstandes zu bedienen anstatt beleidigt die alten Zeiten herbeizuwünschen. Hugo Portischs kleiner Beitrag ist ein wichtiger Hinweis dafür, dass es überfällig ist, diesen Weg einzuschlagen.
