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Uninspiriert im taktischen Korsett

Die Motivation, Fußball zu spielen, nährt sich aus verschiedenen Faktoren. Da ist zunächst der Wunsch nach Gelingen, und zwar durch das eigene Agieren Situationen zu schaffen, in denen das eigene Können und der eigne Esprit dazu führen, Erfolg zu haben. Der lässt sich sehr einfach in Toren zählen. Bei einem Turnier ist zunächst entscheidend, ob eine Mannschaft diese Erfolge verbuchen kann. Dann kommt sie weiter, und am Schluß, wenn sie alle Gegner geschlagen hat, wird sie das Turnier gewonnen haben. Das ist alles so bekannt wie trivial. In diesem Sinne hat das deutsche Team im Spiel gegen die USA ihre Pflicht erfüllt, es hat das Spiel mit 1:0 gewonnen, ist Gruppensieger und im Achtelfinale.

Die gegenwärtige Weltmeisterschaft in Brasilien hat bis dato eines gezeigt: Sie ist ein Turnier des Enthusiasmus und der großen Emotion. Teams wie Chile, Mexiko und auch Brasilien haben gezeigt, dass sie technisch und taktisch sehr gut sind und dass sie grandios kämpfen können. Das hat das Publikum überaus honoriert, weil es besonders durch diese Haltung mitgerissen wird. Deshalb war es in den bisherigen Spielen eine große Freude, diesen Mannschaften zuzusehen. Aus Europa haben das die Niederlande vorgelebt, glanzlose und uninspirierte Teams wie England, Italien und Spanien haben bereits ihre Quittung für die Attitüde bezahlt, nur mit Taktik und Technik erfolgreich sein zu wollen.

Der Auftritt der Deutschen im Spiel gegen die USA gehörte zu dieser Old School. Taktisch diszipliniert, technisch gut, kühl und wohl temperiert. Bei der Betrachtung dieses Auftrittes kam nicht nur Langeweile auf, sondern es drängte sich der Eindruck auf, dass die Mentalität des gegenwärtigen gesellschaftlichen Geistes sich in diesem Auftritt offenbarte. Es dominierte der Eindruck, als ginge es um den Erwerb einer Versicherungspolice, mit der das Weiterkommen abgesichert werden soll. Nicht, dass die Spieler auf dem Platz nicht das Potenzial hätten, mehr zu zeigen als sie es taten. Aber die taktischen Anweisungen des Trainers liefen auf diese uninspirierte Vorstellung hinaus, die, und das ist das Wesentliche, was zu bedauern ist, zum Erfolg führte.

Und natürlich feierte die mediale Claque samt aller engagierten Experten das desolate Schauspiel als einen Sieg der Dominanz. Ja, es war Dominanz, aber ohne Spirit, ohne Botschaft, sondern ein technokratisches Konzept, das niemanden mehr mitzureißen in der Lage ist. Die Straßen bleiben leer, die Fans, die auf ein Feuerwerk hofften, schlichen wie geprügelte Hunde aus den Gartenkneipen nach Hause und überlegten sich die Strategie für den kommenden Arbeitstag. Da ist auch kein Spieler, der gegen diese vom Drohnenkrieg inspirierte Taktik aufbegehrt und einfach einmal das zurückforderte, was ihn dazu motivierte, sein Leben dieser Fußballkunst zu widmen. Glattgebügelt produzierten sie Sprechblasen in die Mikrophone, die genauso dramaturgisch fade waren wie der vorherige Kick.

Da bleibt zu hoffen, dass die inspirierten Teams in diesem Turnier erfolgreich bleiben und den technokratischen Taktikern der Zunft den vorzeitigen Weg nach Hause weisen. Alles andere wäre eine Abwicklung des Metiers nach Art einer Firmenliquidierung. Ausbeinen der Talente, Einstreichen der Revenuen und das Hinterlassen einer großen Depression. Mehr war da bis jetzt nicht, nein, Ressentiments werden nach wie vor über die Bildschirme auf das hungrige Volk gekübelt, aber das ist man ja gewohnt. Kein Esprit, kein Hunger, kein Wille zum Triumph in Schönheit. Das ist Verwaltung in schlechtem Sinne. Von Gestaltung, die begeistert, keine Spur.

Monopolist und Drohnenkrieger

Hierzulande agierte man schon immer nach dem Prinzip von Monopolisten. Wenn irgendwo bei der Konkurrenz ein Talent gesichtet und gefördert wurde, wenn sich Spieler zu einem großen Format entwickelten, kam der Konkurrent von der Isar und kaufte ein. Udo Lattek, der wohl immer noch erfolgreichste Trainer der Bayern, hatte das unzählige Male und sehr anschaulich bestätigt. Wir kauften in erster Linie ein, um die Konkurrenz zu schwächen. Wenn Glück dabei war, verbesserten wir uns dadurch auch noch. Letztendlich reichte diese Taktik aus, um das Monopol bis auf kleinere Zwischenfälle durchgängig zu sichern.

Ein anderer Verein, der stets im Kampf mit einem Rivalen in die Arena um die nationale Vormachtstellung ging, war der CF Barcelona. Als man dort müde geworden war, auf internationalen Spielermärkten Unsummen auszugeben, besann man sich auf eine ganz besondere Art der Guerilla-Taktik. Man erfand das Tiki-Taka, eine Form des Widerstands von Zwergen gegen Vollblutathleten. Im Grunde war es nichts Neues und jeder, der einmal auf dem Bolzplatz stand, kennt es: die älteren, überlegenen Spieler lassen die Kleinen nicht an den Ball kommen bis diese keine Lust mehr haben und nach Hause gehen. So machten es die physischen Zwerge Barcelonas unter dem System Guardiola, technisch perfekt und grandios, vom Sinn her eine arrogante Sauerei oder, um die Analogie woanders zu suchen, der Fußball machte sich dort die Philosophie des Drohnenkrieges zu eigen.

Hier, in Deutschland, waren trotz der Rauschkäufe der Bayerverantwortlichen dennoch andere Zeiten angebrochen. Zweimal hintereinander holte Dortmund den Titel. In ihrer Ahnungslosigkeit erkannten die Himmelstürmer aus dem Ruhrgebiet wohl zu spät, zu was ein Monopolist, dem man sein Ende vor Augen führt, noch alles in der Lage ist. Zum einen schlug man wieder mit dem Geldsack zu und kaufte dem direkten Konkurrenten die besten Spieler weg und zum anderen verpflichtete man den Philosophen des Drohnenkrieges als Trainer. Was als List der Zwerge geplant war, bekamen jetzt auch noch Riesen als taktische Anweisung an die Hand.

Seitdem siegt der FC Bayern. Immer. Das Monopol beherrscht den Fußball wie nie zuvor. Und wie das in solchen Fällen so ist, hat sich eine gähnende Langeweile breit gemacht. Niemand, der nicht zu der sehr durchschaubaren Gefolgschaft des Monopolvereins gehört, hat noch ein Interesse daran, die Spiele des Maßes aller Dinge zu sehen. Das hat zweierlei Ursachen: Eine sportliche, denn wenn es keinen Wettkampf mehr gibt, geht es um das Sezieren eines Opfers, das man nur mit einer bestimmten psychischen Konstellation genießen kann. Und zum anderen werden diese Hinrichtungsrituale von einer Berichterstattung begleitet, gegen die die eingebetteten Journalisten im US-amerikanischen Irakkrieg noch Zentren des Widerstandes waren. Was sich der Sportjournalismus im Rahmen der Elogen an die Bayernrituale leistet, reicht an das Geheule Nürnberger Parteitage.

Da der Fußball momentan die Attraktivität verloren hat, die er aufgrund seiner Reflexion der sozialen Organisation gesellschaftlicher Prozesse verdient, bleibt vorübergehend wohl nur die Muße dazu, sich die Schachzüge des handelnden Personals genauer anzusehen und zuzuwarten, bis innere Widersprüche dafür sorgen, dass von außen auch einmal wieder angegriffen werden kann. Beobachten wir also, wie die Akteure der narzisstischen Verblendung, trunken von Weltklasse-Superlativen, wie die Parvenüs an Zigarren mit Banderolen saugend, mit zollfreien Uhren funkelnd, mit Helium verfärbten Gesichtern und befeuert von der Illusion unbegrenzter Rechtsbeugung das Monopol durch die internationalen Gewässer steuern. Die Protagonisten selbst werden sich diese Aufforderung wieder einmal als eine von Neid und Hass getriebene zu erklären suchen. Dabei ist es einfach nur kühle, sehr kühle Distanz.