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US-Wahlen: Good Morning Europe!

Glaubt man der hierzulande alles bestimmenden Tendenz in der öffentlichen Berichterstattung, dann stehen sich bei der Wahl am kommenden Dienstag in den USA zwei Extreme gegenüber: Hier der korrupte, zynische, menschenverachtende, tyrannische, weiße, alte Baulöwe und Bankrotteur und da die sympathische Frau mit Migrationshintergrund, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt steht und vor allem Fairness ausstrahlt. Jeder, der einmal das Glück hatte, die USA besuchen und durchreisen zu können, wird mit einer solchen Verabsolutierung der tatsächlichen Alternativen nichts anfangen können. Die Gesellschaft der USA auf die aktuellen beiden Kandidaten reduzieren zu wollen, hieße einen realistischen Blick auf diese hoch komplexe Gesellschaft zu verhindern. 

Wenn man will, kann man die Programmatik der jeweiligen Bewerber auch auf ihren politischen, ökonomischen und sozialen Inhalt destillieren. Und so manches, was dann deutlich wird, führt dazu, soweit man durch die hiesigen Meinungsmaschinen bereits mehrfach gereinigt wurde, dass man sich die Augen reibt. Kamala Harris wird, soviel ist sicher, an der Außenpolitik Joe Bidens festhalten und somit die Kriege weiter am Laufen halten. Sie wird daran festhalten, Europa weiterhin in einem sinnlosen Krieg zu schwächen und damit den europäischen ökonomischen Niedergang weiterhin forcieren. Innenpolitisch wird sie die rechtlichen Bestimmungen zum Schutze von Minderheiten beibehalten und sie wird dafür sorgen wollen, dass in bestimmten Sektoren der öffentlichen Institutionen investiert wird.  

Donald Trump hingegen wird Kriege, die das Containment des Hauptkonkurrenten Chinas nicht befördern, nicht weiter führen wollen und er wird wegen bestimmter lokaler Konflikte mehr auf einen Deal als auf einen Krieg setzen. Innenpolitisch wird er Steuern senken, nicht in öffentliche Einrichtungen investieren, Minderheiten nicht schützen und seiner Erkenntnis folgen, dass es notwendig ist, wertschöpfende Industrie aus allen Teilen der Welt in den USA anzusiedeln. Deutsche Chemiekonzerne und deutsche Autobauer warten nur auf entsprechende Offerten, um in großem Maßstab in den USA investieren zu können. 

Betrachtet man beide, sehr kurz gefasste Optionen, dann zeigt sich, welche Bevölkerungsgruppen sich bei der kommenden Wahl in den USA gegenüberstehen. Überspitzt ausgedrückt könnte man sagen, eine urbane, tolerante und libertäre Kohorte steht der industrieller Arbeit und landwirtschaftlicher Produktion gegenüber. Interessant ist auch, dass die Digital-Tycoone wegen ihres immensen Energiebedarfs und dem Wunsch nach der Liberalisierung von echtsvorschriften momentan zur republikanischen Seite tendieren. 

Die amerikanische Bevölkerung wird wahrscheinlich wesentlich rationaler votieren als der wie mit Geld vollgestopfte Popcorn-Maschinen agierende Wahlkampf vermuten lässt. Dort geht es nur noch um Geld, ungefähr eine Milliarde wurde von jeder Seite aufgewendet, um die kreischenden Staffagen, die Gimmicks und die unzähligen Spots zu finanzieren. Echt wirkt da nichts, aber das Hemd ist näher als der Rock. Man wird das wählen, was am nächsten den Vorstellungen zur Verbesserung der eigenen Lage entspricht. Und, das zeigt die Struktur des Landes, es wird knapp.

Den Europäern fällt das fragwürdige Privileg zu, das hinnehmen zu müssen, was bei diesen Wahlen herauskommt. Und unabhängig von dem Ergebnis: Gemütlicher wird es nicht. Jetzt zahlt sich aus, dass man sich zu sehr und zu lange unter den Schirm eines Hegemons gestellt hat, ohne an das eigene Profil zu denken. Das ging so lange gut, wie die Dominanz des Hegemons gesichert war. In Zeiten der Gefährdung sieht das allerdings dramatisch anders aus. Ganz nach dem Filmklassiker könnte man die Situation auch so zusammenfassen: Good Morning Europe! 

Der Google-Hupf als Referenz für die liberale Demokratie?

Immer, wenn die Sprache auf aus hiesiger Sicht totalitäre Regimes wie China oder Russland kommt, ist das Urteil griffbereit: Dort ist es quasi unmöglich, sich ein unvoreingenommenes Bild vom Rest der Welt zu machen und dort ist es mit Sicherheit nicht möglich, die Qualität der eigenen, landesinneren Politik von verschiedenen Seiten aus zu betrachten. Ob das tatsächlich so kategorisch gesehen werden kann, daran habe ich begründete Zweifel. Dass es dort so „frei“ zugeht wie es hier juristisch festgelegt ist, darüber braucht man nicht lange zu diskutieren. Man müsste allerdings auch ehrlicherweise einräumen, dass diese Freiheit weder in China noch in Russland zugebilligt wird. Es existieren dafür sogar Begründungen, die jedoch nicht Gegenstand der hiesigen Betrachtung sind. Die Frage, die sich bei einer solchen eindeutigen Positionierung stellt, ist die, wie die Realität der Verhältnisse hinter der Bank des Anklägers aussieht? Entspricht sie in umgekehrter Weise den Gegebenheiten, die in der Kritik formuliert werden? Oder existieren gar Analogien, die dazu führen müssten, sich eher um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern als ununterbrochen auf andere zu zeigen, die der Qualitätsprüfung wohlgemerkt der eigenen Ansprüche nicht standhalten?

Ein von mir unternommenes kleines Experiment hat etwas Licht auf die Zustände auf Seiten der Anklage geworfen. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA, von denen auch vieles hier in Deutschland und in Europa abhängen wird, habe ich den größten illegalen Expropriateur des Weltwissens, Google, zwei einfache Fragen gestellt. Was spricht für Donald Trump und was spricht für Kamala Harris? Die Dürftigkeit und Parteilichkeit, die dieses zeitgenössische Universallexikon daraufhin ausspie, war atemberaubend. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es handelte sich um die Antwort auf beide Fragen. Natürlich kann man weiter recherchieren und mehr erfahren. Die an den Tag zu legende Intensität der notwendigen Recherche dokumentiert hingegen, zu welcher Trivialität das Interesse an politischen Inhalten bereits degeneriert ist. Doch zur Dokumentation der Einträge:  

Für was steht Donald Trump?

„Sein als Trumpismus charakterisierter Politikstil ist eine Mischung aus Populismus, Konservatismus, Libertarismus, Protektionismus, Wirtschaftsliberalismus, Nationalismus und Isolationismus. Die Präsidentschaft Trumps war von zahlreichen Kontroversen geprägt.“

Für was steht Kamala Harris?

„Bereits in ihrer Zeit in Kalifornien hatte sie sich für Klimagerechtigkeit und den Klimaschutz eingesetzt. Insgesamt gilt ihre Position in Klimafragen dabei als „moderat“. Harris befürwortet das Nuklearabkommen mit dem Iran.“

Bilden Sie sich selbst ein Urteil! Handelt es sich um das Ergebnis eines Diskurses, in dem Meinungsfreiheit und Vielfalt kursieren, in dem Wert auf eine Versachlichung der Inhalte gelegt wird und in dem vor allem den Empfängern dieser Nachricht zugetraut wird,  sich ein eigenes Urteil zu bilden? Und, wenn sich die politischen Inhalte, einmal frei von Parteilichkeit und Polemik, auf das reduzieren lassen, was dort steht, würden sie einem von beiden Kandidaten ihre wertvolle Stimme hinterherwerfen? 

Zu Ihrer Beruhigung: Wenn man nach den wichtigen Persönlichkeiten unseres eigenen politischen Geschehens fragt, kommt auf diese Frage gar nichts. Weder beim Bundeskanzler noch bei seinem auserkorenen Herausforderer.

Das, was Google in dieser Hinsicht produziert, ist das Format einer totalitären Gesellschaft. Da schreiben irgendwelche Quacksalber belanglose Tiraden auf, die ein intellektuell überfordertes Publikum politisch auf Kurs bringen soll. Wenn das die Qualität sein soll, die sich aus der Freiheit der so genannten liberalen Gesellschaften speist, dann haben wir die lange Nacht bereits erreicht. Bei einem Licht, das nicht mehr wärmt und einem Google-Hupf, der nach Essig schmeckt.

Harte Bandagen und wokes Geheule

Während hierzulande ein sich immer größeres Ungleichgewicht etabliert, sieht es in den USA nach der Renaissance der harten Boxkämpfe aus. Gemeint ist die Form der politischen Auseinandersetzung. Während diejenigen, die sich hier an der Macht wähnen, in immer häufigeren Fällen mit harten Attacken auszeichnen, ist die unter normalen Umständen faire Replik nicht erlaubt und verpönt. Wenn Vertreter der Regierungsparteien die unterschiedlichen Gegner als Putins Söldner, als Unterwerfungspazifisten, als Verschwörungstheoretiker, als Verbreiter von Hass und Hetze bezeichnet werden, wäre eine adäquate Replik, die von Amerikas Fünfter Kolonne, von Kriegshetzern, von Propagandisten oder von entrückten Sektenmitgliedern spräche, der Grund für einen Aufschrei, dem kurz danach die ersten Sondereinsatzkommandos folgten. Es ist höchste Zeit, ganz im Sinne einer alten, soliden Herrschaftskritik, dieses Ungleichgewicht genauer zu dokumentieren. Einer, der mittlerweile auch zu den Stigmatisierten gehört, weil er sich angemaßt hat, die Massakrierung des Aufklärungsgedanken durch diverse Ampelpolitiker und öffentliche Medien zu kritisieren, hat dies kürzlich mit der Illustration zwei medial verwendeter Adjektive getan: es handelte sich um die Begriffe „streitbar“ und „umstritten“. Damit traf er den Kern des Problems. Man kann es auch drastischer auf den Punkt bringen: während ein neureicher Pöbel seine Unverschämtheiten absondert, reagiert er mit woken Geheule, wenn das entsprechende Echo kommt.

Anders dagegen in den USA. Donald Trump wurde und wird hier seit langem, seit sich die jeweils amtierende Politik als Unterabteilung der amerikanischen Demokraten profiliert hat, gerne mit seinen rabaukenhaften und derben Formulierungen zitiert. Dass ein Joe Biden auch anders konnte als der etablierte Onkel Joe, lässt sich anhand zahlreicher Anlässe dokumentieren. Und seine zumindest von ihm und ihr selbst favorisierten Nachfolgerin, Kamala Harris, ist auch kein zartes Pflänzchen, sondern dem rauen Ton eines amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes durchaus gewachsen. Schon am ersten Tag nach Joe Bidens Verzicht auf die Kandidatur, gab sie zu Protokoll, dass sie als ehemalige Staatsanwältin wisse, wie Kriminelle aufträten und argumentierten. Deshalb sei sie für ein Duell mit Donald Trump bestens gerüstet. Man kann sich vorstellen, wie Donald Trump reagieren wird. In den USA gilt beides als erwarteter Ton in einem harten Duell. Man kann aber davon ausgehen, dass Trumps Replik hierzulande durch alle Gazetten als ein typisches Dokument seiner Frevelhaftigkeit gejagt werden wird.

In was das alles in den USA noch münden wird, bleibt abzuwarten. Man täte gut daran, sich den Zustand des Landes mit einigem emotionalen Abstand anzusehen. Dann wird man sicherlich besser begreifen, um was es dort geht. Diejenigen, die das Potenzial zu einer Wende einer desaströsen Wirtschafts- und Finanzpolitik hätten, nämlich die Demokraten, haben sich von ihrer eigenen politischen Klientel verabschiedet und bieten sich seit langer Zeit den neoliberalistischen Hegemonieverfechtern an. Und Trump sammelt viele der Verlierer ein, ohne selbst daran zu denken, ihnen eine grundlegend andere Politik anzubieten. Egal, wie dieser mit harten Bandagen ausgetragene Kampf ausgehen wird, es wird ein sozial und mental tief gespaltenes Land bleiben.

Letzteres ist vielleicht die einzige Lehre, die man aus dem ganzen Zirkus, der in diesem Präsidentschaftswahlkampf dargeboten wird, lernen könnte. Wenn man es ehrlich meinte. Wenn einem etwas am eigenen Land läge. Wenn man die Spaltung überwinden wollte. Und wenn man sich vor einem Kampf mit harten Bandagen nicht fürchtete. Wenn einem das woke Geheule letztendlich doch besser zu Gesicht steht.