Schlagwort-Archive: Diversity

Neue Standards der Trivialität

Symbolisches ist wichtig. Wenn die Zeichen nicht stimmen, dann wird der Sinn schnell hinterfragt. Existieren allerdings nur die Zeichen und dahinter verbirgt sich keine Substanz, dann ist nicht nur Skepsis angebracht, sondern vielmehr eine Aktion, die die Symbolik als Mystifikation entlarvt. Wer mit Symbolik hausieren geht, ohne sie mit Taten zu untermauern, dem blüht das Schicksal des Scharlatans. 

Heute war so ein Tag, an dem Verwunderung wie Kritik angebracht ist. Es war der deutsche Diversity-Tag, gefeiert in der ganzen Republik, mit Unterstützung der Bundesregierung. Die Veranstaltungen dazu hatten unterschiedliche Qualität und nicht alle entsprachen einer Agenda, die keine ist. Das Gros dieser Events erschöpfte sich allerdings in einer trivialen Dimension. Von Gemeinsam einen Kuchen backen bis hin zu Wir malen ein Bild. Gut, wer gerne werkelt, hatte hier sein Feld. Wer allerdings das Thema der Vielfalt ernst nimmt und aus dieser Perspektive die Frage stellte, welche Lebensaspekte bei dieser Vorstellung eine Rolle spielen, wurde bitter enttäuscht.

Als Ergebnis der Phase der Globalisierung, in der sich unsere Gesellschaft befindet, ist es nur zu logisch, dass eine wachsende Migration zu verbuchen ist und sich eine Vielfalt der Lebenskonzepte entwickelt hat, die in den alten, relativ stabilen traditionellen nationalstaatlichen Vorstellungen keinen Platz mehr hat. Die existenzielle Frage ist die, ob die sprühende Vielfalt als ein Problem, d.h. eine Bedrohung der traditionellen Ordnung oder als Chance der Entwicklung neuer gesellschaftlicher Dynamik begriffen wird. Letzteres erfordert allerdings ein Umdenken, das viele fest gefügte Weltbilder zum Einsturz bringt. Da kann es nicht um Schubladen mit Aufschriften wie Gender, sexuelle Orientierung, Religion oder Ethnie gehen, sondern es bedeutet den Abschied auch von den Denkformen, die im traditionellen Status gereift sind. Die Normen der Vergangenheit passen nicht zu den Möglichkeiten einer vielfältigen Zukunft.

Einmal ganz abgesehen von der Trivialität vieler Events, ist es ebenfalls absurd, mit einem neuen Beauftragtenwesen, in dem einzelne Aspekte von Unterschieden in alte Strukturen zementiert werden, den Aspekt zu bedienen. Was vonnöten ist, sind neue Formen des praktischen Handelns und qualitativ andere Entscheidungen. So lange Strukturen geschaffen und alte Verhaltensformen perpetuiert werden, ändert sich nichts. 

Unsere Gesellschaft zeichnet sich durch ein hohes Maß an Dokumentation aus. Das kann von Vorteil sein, aber auch zu einer dramatischen Verengung des Blickfeldes führen. So sind die Arsenale gespickt von Normen, die antiquiert sind, aber immer noch zur Anwendung kommen. Wäre die Perspektive der Vielfalt ernst gemeint, so müssten diese Normen in historische Archive wandern und ersetzt werden durch Formen der Potenzialanalyse. Die Reaktionen auf dieses Ansinnen jedoch lösen Reflexe aus, die den Verdacht aufkommen lassen, dass es nicht sonderlich erwünscht ist. Die Killerargumente bei der Entwicklung von Systemen, die es zulassen, Fähigkeiten von Menschen zu dokumentieren, um sie produktiv kombinieren zu können, sind aus der Dunkelkammer des Datenschutzes. Letzterer schützt in diesem Falle nicht, sondern er verhindert Produktivität und Wertschöpfung. Wenn die Vielfalt sich allerdings nicht in der Wertschöpfung entwickeln kann, dann wird sie nie Wertschätzung erfahren und ist im Grunde nicht gewollt.

Unter diesem Aspekt war der heutige Tag der Vielfalt eine schöne folkloristische Veranstaltung, die wieder einmal gezeigt hat, wie nett es doch ist, sich für alle sichtbar für dieses Thema einzusetzen, ohne die Verhältnisse tatsächlich ändern zu wollen. Geschaffen wurde ein neuer Standard der Trivialität, der davon lebt, Vielfalt in ein traditionelles Korsett zu zwängen. Die Struktur bleibt die alte, der Geist ist tot.

Diversity an sich!

The Chancellor is female, the Minister of Foreign Affairs is gay and the Health Minister an Asian – and you think, America is the country of opportunities? Mit diesem Slogan wirbt die Bundesregierung auf großen Plakatwänden überall in Washington DC und möchte auf die Offenheit und Durchlässigkeit der bundesrepublikanischen hinweisen. Diversity als Qualitätsmerkmal für eine Gesellschaft, die in Bezug auf ihren internationalen Ruf immer noch glaubt, mit den Maßen der Vergangenheit, die sich auf die nationalsozialistischen Gräueltaten beziehen, gemessen zu werden. Das Anliegen ist löblich, missachtet jedoch zweierlei.

Zum Einen wird die Bundesrepublik längst nicht mehr nur in der Welt für die Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 gemessen. Das ist gut so, denn nach mehr als sechs Jahrzehnten hat sich die Welt gedreht und vieles, was es zu bekämpfen gäbe, hat heute einen höheren Stellenwert. Das, was in Deutschland geschehen ist, sollten wir nicht vergessen, aber wir sollten uns davor hüten, uns von den Zeremonienmeistern einer neuen dogmatischen Welterklärung immer wieder in eine Ecke des Verdachts stellen zu lassen, die ihre eigenen politischen Ziele, die undemokratisch und zweifelhaft sind, begünstigen.

Zum Anderen ist Diversity nicht ein Wert an sich. Diversity ist wohl eher die Beschreibung des Zustandes, in dem sich zumindest Gesellschaften wie die unsere, die sich als demokratisch und permissiv definieren, befinden. Die ethnisch reine, durch die Herrschaft einer besonderen Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe gekennzeichnete Gesellschaft, ist eine Schimäre, die es schon lange nicht mehr gibt. Globalisierung heißt Durchmischung und es gehört zu den großen Aufgaben der Zeit, sich damit gedanklich wie politisch konstruktiv auseinanderzusetzen. Das demokratische System und die in ihm lebenden Menschen stehen vor Fragen, die sich mit der gegenseitigen Toleranz, der kulturellen Andersartigkeit in einem gemeinsamen, als konkordant zu definierenden Gemeinwesen zu beschäftigen haben. Das sind große Herausforderungen, die nicht mit dem dogmatischen Hammer gelöst werden können, sondern nur durch einen Diskurs, der sich nicht hinter Tabus versteckt und mit der Keule der politischen Korrektheit vor unbequemen Fragestellungen zu stützen sucht.

Wird dieser Diskurs nicht geführt, dann steht die Konstatierung der Diversity als Qualität an sich vor einem Fiasko. Womit, bitte schön, ist der Frauen- und Schwulenbewegung oder den Immigranten denn geholfen, wenn als ihre Signets Politikerinnen und Politiker verkauft werden, die das politische Elend eher beschreiben als lösen. Die Kanzlerin gilt auch international als die Jongleurin der Macht schlechthin, unabhängig von der Qualität eines politischen Programms. Der Außenminister ist ein propagandistisch ehemals gewitzter, an seiner jetzigen Funktion allerdings völlig überforderter Parvenü und sein jetziger Parteivorsitzender ein Nischenprodukt, das außer der Parteikarriere noch nicht allzu viel vorzuweisen hat. Das ist eher erbärmlich als dazu angeraten, für eine Sache zu werben, die man gerne hätte, von der man aber meilenweit entfernt ist.

Die Frauen in der Bundesrepublik haben es noch nicht in dem Ausmaß in die Chefetagen geschafft, wie ihnen das zusteht und die Migrantinnen und Migranten ebensowenig, lediglich Homosexuelle haben in Politik und Medien bestimmte Positionen erobert. Als Qualität an sich kann man das alles nicht verkaufen und die momentanen Diskussionen um das Thema Diversity verkehren sich in das Gegenteil, wenn es dabei bleibt.