Es existieren viele Theorien und organisatorische Ansätze, die sich mit einer möglichen Steuerung des Wandels befassen. In der Literatur derer, die sich damit professionell auseinandersetzen, heißt das Momentum Change. Vieles von dem, was dort in den letzten dreißig Jahren geschrieben und ausprobiert wurde, ist bereits heute Makulatur. Es handelt sich dabei zumeist um in modischem Vokabular verfasste Modelle, die die eigene Phantasielosigkeit kaschierten. Aber weil alle vom Change sprachen und er tatsächlich auch die Verhältnisse veränderte, musste man sich irgendwie verhalten, auch wenn man lieber am Alten festgehalten hätte. Vieles von dem, was da zu lesen ist, findet sich nun in den aktuellen Diskussionen wieder und es erinnert an die Beispiele, die nichts bewirkt haben, weil sie weder über eine Strategie verfügten noch genug Phantasie besaßen, wie das Neue in Form gebracht werden kann.
Hören wir auf die Ansätze, die momentan propagiert werden, dann ist es der vergebliche Appell, Bürokratie mit Bürokratie zu bekämpfen, Sicherheit durch die Reduktion von Rechten erkaufen zu wollen, Enthaltsamkeit bei den Bedürftigen zu predigen und die Üppigen zu umschmeicheln. Wer glaubt, mit derart fragwürdigen Ansätzen aus den Retro-Arsenalen irgend etwas bewirken zu können, ist ein Thor. Und wer trotz des Wissens um die Vergeblichkeit derartiger Ansätze an ihnen festhält, verfolgt eine andere Agenda.
Allerdings haben die vielen Projekte, die sich mit Change befassten, ob im rein Organisatorischen, im Technischen, im Sozialen oder im Kulturellen auch eine Menge von Kenntnissen gezeitigt und Instrumente hervorgebracht, die in der jetzigen Situation auf der Makro-Ebene weiterhelfen könnten. Wer einen erfolgreichen Change-Prozess steuern und begleiten will, muss über eine Strategie verfügen. Das heißt nicht, wissen zu müssen, wie die Zukunft aussieht, aber eine Vorstellung davon zu haben, wie die einzelnen Glieder miteinander verkehren sollen, was sie „herstellen“ wollen, d.h. welche Art von Produktivität sie erzielen wollen, welche Freiheiten und welche Pflichten erforderlich und erstrebenswert sind, welche Rechtsverhältnisse dies garantieren, wo die produktiven und wo die sozialen und kulturellen Felder zu verorten sind, und wo die jeweilige Macht, Entscheidungen zu treffen, verankert sein muss. Das ist nicht wenig und anspruchsvoll. Aber es ist das Fahrtenbuch, ohne das kein Change erfolgreich gesteuert werden kann.
Techniken, um eine Strategie zu erarbeiten, existieren zur Genüge. Man muss sie nur anwenden wollen. Bei der politischen Großwetterlage und dem Wechsel der Verantwortung in Zeitphasen von vier oder fünf Jahren stellt sich die Frage, ob von den Stellen, die in einem formal demokratischen Prozess vergeben werden, überhaupt ein Wandel in dieser Dimension gestaltet werden kann. Zur Erinnerung: in China denkt und plant man in Jahrzehnten und Jahrhunderten. Nicht, dass es um Nachahmung ginge, denn dazu ist der ehemalige Westen mit seiner ökonomischen Verwertungslogik und den Amtsphasen nicht in der Lage. Aber vielleicht wäre das ein Punkt, mit dem begonnen werden müsste. Einmal abgesehen davon, dass dennoch eine Strategie aus dem Jetzt heraus entwickelt werden kann. Doch dann träten die Antagonismen hervor. Wohlstand, Frieden und Souveränität sind innerhalb des vorliegenden Systems nicht mehr möglich. Eine Strategieentwicklung würde diese Erkenntnis sehr schnell zu Tage fördern. Deshalb wird ein solches Projekt erst gar nicht initiiert.
Und die Frage, wie man in großen historischen Dimensionen planen kann und welcher Voraussetzungen es bedürfte, um das zu gewährleisten, wäre der nächste dicke Brocken, der weggeräumt werden müsste, um von dem hilflosen Gestammel bewahrt zu werden, das uns täglich umgibt.
