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Die digitalen Syndikate und der Diebstahl

Nun überschlagen sie sich alle. Facebook soll angeblich Daten von Nutzern an Dritte verkauft haben. Was das „angeblich“ soll, ist insofern unverständlich, als dass genau das dem Geschäftsmodell entspricht. Du nutzt meine Funktionen und ich dafür deine Informationen. Das ist der Deal, der auch in allen Geschäftsbedingungen steht, denen man zustimmen muss, wenn man die Programme nutzen will. Dass wir es heute mit einer Klientel von Normalverbrauchern zu tun haben, die eher narzisstisch veranlagt sind und die gerne auch aus dem privaten Nähkästchen plaudern, ist seit den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts psychologisch vorbereitet worden. Frei nach dem Motto der ersten privaten TV-Welle: Zieh dich aus, stell dich zur Schau, nichts ist trivial.

Damit wurden die natürliche Scheu, das Schamgefühl und die Hemmung sturmreif geschossen. Übrig geblieben sind triviale und obszöne Outings zu Hauf. Wer da keinen Ekel verspürt, der hat die klassische bürgerliche Sozialisation nicht mehr erlebt.

Was mit der exhibitionistisch geprägten Geschwätzigkeit einherging, war die wachsende Niveaulosigkeit des eigenen Bildungskanons und das schwindende Terrain einer eigenen Haltung. Der ganze Unrat, der das medial aufbereitet wurde, hat dazu geführt, dass katastrophal überforderte Individuen nun entscheiden sollen, was tatsächlich erforderlich ist und was nicht, was tatsächlich eine gesellschaftliche Relevanz besitzt und was nicht.

Um es auf den Punkt zu bringen: Liebe Facebook-Nutzer, wenn Ihr Euch durch gezielte Angebote über den Screen politisch beeinflussen lasst, dann fehlt es Euch gewaltig an Substanz. Dann seid Ihr längst Opfer des schleichenden intellektuellen Todes. Schämt Euch lieber ob Eurer Naivität als den Zorn über das eigene Unvermögen. Der Skandal ist die Unterversorgung der Masse von Nutzern mit kritischem Bewusstsein. Eigenartigerweise fällt diese Kritik kaum jemandem ein, zumindest bei denen, die sich so über die Aktivitäten von Facebook aufregen.

Das entschuldigt natürlich nicht die neuen Global-Digital-Milliardäre, die sich endlich als Kriminelle entpuppen. Denn sie verkaufen nicht nur die Daten ihrer Kundschaft, sie legen noch einen drauf, indem sie mit ihren Firmensitzmodellen kaum Steuern bezahlen. Keine der Silicon-Valley-Start-ups, die nicht zweimal stehlen. Einmal private Daten und zum Zweiten öffentliche Leistungen, für die sie nicht entrichten. Das sollte reichen, um Fahndungslisten zu erstellen, aber es kommt noch schlimmer.

Neben dem legalen Datendiebstahl und der  der legalen Steuerhinterziehung arbeitet die ganze Branche an der größten Enteignung aller Zeiten. Nahezu das gesamte Wissen der Menschheit wird momentan von diesen Digitalsyndikaten privatisiert. Experten schätzen das, was momentan bereits in den Speichern der größten Delinquenten festgehalten wurde, mit dem Wissen der letzten 120 Milliarden Exemplare der Gattung korreliere.

Da kommt kaum noch jemand mit den Nullern klar, nur eines ist sicher, für diesen Raub wurde bisher kein Cent entrichtet. Diesen Skandal hat noch niemand so richtig gesichtet, und er sprengt in seiner Dimension die kleinen Versuche, Wahlen mit der Zusendung von Betthupferln zu beeinflussen. Da geht es zur Sache, da geht es an das Tafelsilber der gesamten Gattung und da herrscht immer noch Schweigen im Walde.

Man kann es auch positiv sehen: Das große Expropriationsprogramm der Digitalbranche verliert so langsam seine Unschuld.