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Satanische Souffleure

Nun rasen sie durch die Möglichkeiten der Verarbeitung. Die Betroffenen. Das interessante dabei ist, dass die tatsächlich Betroffenen damit nicht gemeint sind. Die Betroffenen sind nämlich jetzt die, die eigentlich mit der Sache nichts zu tun haben. Entweder sie sitzen in einer anderen, bisher nicht betroffenen Metropole oder in der Provinz, wo das Erschaudern über die Katastrophe etwas gruselig-nostalgisches hat. Und nicht nur die Betroffenenkulisse, sondern auch die Köchler am Ofen des Populismus laufen auf Hochtouren. Sie versuchen zu sondieren, wie mit dem geringsten Aufwand der höllischste Kollateralschaden hervorgebracht werden kann.

Es sei nicht lange drum herum geredet: Die Anschläge in Paris waren terroristische Akte. Wer sich auch immer dazu bekennt, hat lebhaft dokumentiert, nicht zur Zivilisation zu gehören. Klar ist aber auch, dass, sollte es sich um den IS handeln, es Kräfte geben muss, die ihn mit Waffen beliefern und die ihm das Öl abkaufen. Es ist zu vermuten, dass der Westen bei dieser Tätigkeit nicht so weit entfernt ist, wie er jetzt gerne suggeriert hätte. Und es existieren Analogien in anderen Metropolen, die hier im Westen niemand kratzt. Wer an Humanität und Zivilisation appelliert, gleichzeitig die Menschheit aber klassifiziert und spaltet, der hat die viel gepriesenen Werte der abendländischen Kultur nicht verstanden oder bereits verlassen. Rechte, vor allem Menschenrechte, sind unteilbar. Wer sie teilt, und sich ballistischer Systeme bedient, die das eigene Risiko auf Null setzen, hat den Rubikon zum Lager des Terrorismus bereits selbst überschritten.

Das Weh und Herzblut derer, die von den Höllenwerken zu Paris so traumatisiert sind in Ehren, aber es sollte nicht vergessen werden, dass damit auch Manöver betrieben werden, die nichts als schmählich sind. Der DFB, der Deutsche Fußball Bund, hat nach eigener Verlautbarung lange mit sich gerungen, ob er das Freundschaftsspiel gegen die Niederlande überhaupt spielen soll. Nach langer Beratung sei man nun aber zu dem Ergebnis gekommen, dass man nach dem Motto Jetzt erst Recht ein Zeichen für die Freiheit setzen wolle. Das ist Schmierenkomödie. Eine Organisation, die erschüttert ist durch den berechtigten Verdacht von Korruption und Vetternwirtschaft, hätte gut daran getan, den Spielbetrieb auszusetzen, bis die Verhältnisse im eigenen Laden geklärt gewesen wären. Es wäre etwas gewesen, was man mit Ehrenkodex hätte bezeichnen können. Die Toten von Paris zu nehmen, um sich weiter durchwursteln zu können, ist so pietätlos, dass man Max Liebermann zitieren möchte.

Und doch ist es in diesen Tagen immer noch möglich, den Begriff der Geschmacklosigkeit immer weiter zu steigern. So kommen nun die Hyänen zum Vorschein, ja, ein furchtbares Bild, aber es drängt sich auf, die alles unternehmen, um ihren eigenen Gestank zu kaschieren. Sie wagen es, den Terror zu Paris dazu zu benutzen, um diejenigen, die vor ihm fliehen, direkt zu diskreditieren. Und natürlich kommen diese volksverhetzenden Satzschnipsel aus der bayrischen Tiefebene. Direkt aus der ehemaligen Hauptstadt der Bewegung soll das Ölkännchen exportiert werden, um die politischen Debatten im Lande auf die Straße zu bringen. Diese satanischen Souffleure, denen daran gelegen ist, selbst Angst und Schrecken zu verbreiten, um die eigene Mehrheit zu sichern, haben sich längst mit dem Terrorismus versöhnt. Das ist die einzige Form von Versöhnung, die sie allerdings kennen. Denn ihr Handwerk ist die Macht, ausgeübt im Schatten, von keinem Sonnenstrahl getrübt.

Der DFB und die Florida-Kriterien

Um die Jahrtausendwende wartete der US-amerikanische Ökonom, Politologe und Initiator neuartiger Studien zur urbanen Entwicklung, Richard Florida, mit einer Theorie auf, die weltweit Bürgermeister wie Stadtentwickler inspiriert hat. Er sprach von der Entstehung einer kreativen Klasse und ihrem massiven Einfluss auf florierende urbane Entwicklung. Florida identifizierte drei Voraussetzungen, die darüber entscheiden, ob heute, im Zeitalter der bisher umfassendsten Globalisierung, eine Stadt den Weg nach oben findet. Es waren Talente, Toleranz und Technologien. Dieser Mix von technischer Produktivkraft, der Bindung juveniler Eliten sowie einem Klima des Respekts und der Freiheit sind nachweislich überall dort zu finden, wo man heute Erfolgsgeschichten nachlesen kann. Auch die Florida-Thesen haben zu hitzigen politischen Diskussionen geführt, doch darum geht es an dieser Stelle nicht.

Als nach der Weltmeisterschaft 1998 zum zweiten Mal nach 1994 festgestellt werden musste, dass es um den deutschen Fußball nicht zum besten bestellt war, begann im DFB eine Diskussion, die für eine derartig große Organisation sehr schnell sehr praktische Konsequenzen haben sollte. Angesichts einer in der Bundesliga gängigen Praxis, statt Talente zu fördern lieber Profis aus dem Ausland zu kaufen, initiierte der DFB nun Programme, die diese Tendenz aufhalten bzw. umkehren sollten. Natürlich spielten die Vereine mit, sonst hätte sich nichts bewegt, aber die Initiative ging von dem von allen immer wieder als bürokratischem Moloch erlebten DFB aus.

Dieser setzte bei seinen eigenen Trainern neben der Talentförderung auf ein Klima der Toleranz, was dazu führte, dass unter den Talenten, die heute bereits weltweit durch ihre Leistungen auf sich aufmerksam machen, sehr viele Immigrantenkinder sind, deren integrative Wirkung hierzulande alle anderen Bemühungen übertrifft. Des Weiteren arbeiteten die Trainerstäbe mit Methoden, die gerade jetzt, bei der WM in Brasilien, international für großes Aufsehen sorgen und wohl dazu führen werden, dass die Nutzung von High-Tech, quantitativer wie qualitativer Datenauswertung, Bewegungsdiagrammen, Soziogrammen und sozialpsychologischer Gutachten wohl auch in dem einen oder anderen Verband vorgeschlagen werden wird. Will man sich ein Bild davon machen, auf welchem Niveau dagegen der deutsche Fußball vor eineinhalb Jahrzehnten war, sehe man sich den englischen heutzutage an.

Ohne es explizit reflektiert zu haben, was nebenbei gesagt auch Unsinn gewesen wäre, hat der DFB und haben die meisten Bundesliga-Clubs die Prinzipien des Richard Florida auf den Fußball angewendet und sie waren erfolgreich. Die Özils, Boatengs und Schürrles sind das Ergebnis einer Talentförderung, die mit den Stärken der Technologie und den Grundsätzen der Toleranz vorangetrieben wurde und die zu dem geführt hat, was momentan als Blaupause des Non-Plus-Ultra im Weltfußball diskutiert wird. Das ist insofern eine sehr positive Meldung, als dass es gelungen ist, in einem Milieu, dass traditionell mit dem Ressentiment arbeitet, eine andere Dimension des sozialen Verkehrs zu etablieren, die vielen Bereichen der Gesellschaft sogar überlegen ist. Es ist die Zeit, auf diese positiven Entwicklungen im Fußball zu schauen statt seinerseits die Ressentiments gegen dieses Gewerbe zu mobilisieren, wie es immer wieder versucht wird, um diese vermeintlich letzte Männerbastion – was bereits auch der Vergangenheit angehört – zu stürmen. Wer immer noch den Fußball in Deutschland exklusiv als Hort deutsch-nationaler Hooligans identifiziert, den kann man zur glücklichen Existenz im letzten Jahrtausend beglückwünschen.

Und was wäre, so könnte man sich fragen, wenn die Förderung der Talente, auf hoch wissenschaftlichem Niveau und unter Voraussetzung der Toleranz und der Betrachtung der Potenziale statt der Normen, Eingang fände in das Bildungssystem? Oder ist der hiesige Föderalismus träger als der DFB?