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Der gute Hirte?

Die Begründungsbemühungen für das, was gegenwärtig politisch auf dem Globus geschieht, sind ihrerseits ein einziges Abenteuer. Einerseits kommen die Politologen, Historiker und Beobachter vor Ort auf ganz alte, ja archaische Muster, die sie zu entdecken glauben. Andererseits erblicken sie Phänomene, die nur durch einen detaillierten Ritt durch die Weltgeschichte erklärbar werden. Dass da die vermeintliche Gegenseite an Schlichtheit nicht mehr zu überbieten, das eigene Agieren jedoch das Subtilste wie Komplexeste ist, was die Weltgeschichte bisher zu Gesicht bekam, findet kein Gegenargument. Skepsis ist angebracht, wenn da auf der einen Seite die blutigste, despotischste, und unberechenbarste Reaktion am Werk ist, und es nur durch die Allianz der Erleuchteten zu einer Form der Linderung kommen kann.

Da durchdringen Begrifflichkeiten den Orkus, dass es nur noch so scheppert. Da existieren Hüter und Hegemonen, Trabanten, Vasallen und gleichberechtigte Partner, da wird die liberale Demokratie um die Welt getragen, auch wenn dabei nicht Tausende, nicht Hunderttausende, sondern Millionen über die Klinge springen, dann sind das Kollateralschäden, die nun einmal immer anfallen. Und dass die Blutrünstigen, sollte man jemals mit einer Bilanz von Opfern einverstanden sein, in den letzten Dekaden weit weniger Köpfe haben fallen lassen, um ihre Einflusssphären zu sichern, wird abgetan wie ein lässlicher Rechenfehler. Sei es drum. Wer für das Gute unterwegs ist, darf auch einmal über die Stränge schlagen.

Und die semantische Aufteilung der Welt hört mit den Trennlinien zwischen dem eigenen Lager und dem Feindesland nicht auf. Auch innerhalb der Allianz werden Fraktionen geortet, die den Unterschied ausmachen. Damit sind nicht die kleinen Stinker gemeint, die aufgrund ihrer lokalen Nähe zum ausgemachten Feind ein wenig leise treten wollen, sondern drüben, in der transatlantischen Schaltzentrale, konkurrieren zwei Lager miteinander. Das der Guten, die sich als Hüter des Bündnisses sehen und die Egomanen, die nur ihr eigenes Interesse im Auge und den Charakter eines Hegemonen haben. Ja, die USA,  die global gesehen ihre alleinige Vormachtstellung gefährdet sehen, treten mal mit dem Gesicht des Hüters auf (Joe Biden) und mal mit dem des Hegemonen (Donald Trump). Und deshalb sei es geraten, den ersten mit seiner Politik zu unterstützen und den zweiten zu fürchten. So die allseits versierten Analysten. 

Ich weiß nicht warum. Aber bei der Lektüre eines dieser Essays, in denen die Welt mal vereinfacht und mal überkomplex erklärt wird, fiel mir eine Filmszene ein. Es handelt sich um den „guten Hirten“ von und mit Robert de Niro. In ihm wird die Entstehung der amerikanischen Geheimdienste während des Aufstiegs der USA zu einer Supermacht dargestellt. Mit den sozio-kulturellen Hintergründen, mit den Menschen, die man dafür rekrutierte und mit dem Selbstbildnis, dass diese Organisationen entwickelten und verinnerlichten. In einer Szene sitzt ein Agent einem italienischen Immigranten gegenüber und sucht ihn zu nötigen, Informationen über andere Bürger ihm gegenüber preiszugeben. Da fragt der Italo-Amerikaner den weißen, protestantischen Ostküstenmenschen: Die Iren haben ihre Tradition, die Juden haben ihren Glauben, wir Italiener haben die Familie und selbst die Schwarzen haben ihre Musik. Und ihr, was habt ihr eigentlich? Worauf der Agent ihm ohne eine Miene zu verziehen antwortet: Wir haben die Vereinigten Staaten von Amerika. Und ihr seid hier alle nur zu Besuch. 

Auf den Punkt gebracht!

Über die Eigendynamik der Geheimen Dienste

Homeland 6

Seit den Tagen des legendären Franzosen Joseph Fouché, der nicht nur Robespierre und die Revolution, sondern auch Napoleon und die folgende Restauration als Chef der geheimen Dienste überlebte, ist deutlich geworden, wie stark die von der großen Öffentlichkeit erlebte Politik mit der Arbeit der Geheimen Dienste und den Organen der Diplomatie verwoben ist. Was die Öffentlichkeit nicht sieht, und wenn sie es sieht, nicht so recht glauben will, ist die Tatsache, dass die beschriebenen Geheimen Dienste nicht immer unbedingt der Regierung dienen, sondern dass sie durchaus eigene Interessen verfolgen und zuweilen eine „Eigendynamik“ erzeugen, die ganz und gar nicht im Interesse des politisch gebildeten Willens eines Landes ist. Die USA haben diese Geschichte mit aller Breite durchgemacht. In Robert De Niros Film „Der gute Hirte“ wird die ganze Problematik schon bei der Gründung der CIA durchleuchtet, zu einer Zeit, als die USA sich als Supermacht zu definieren begannen. Die Serie Homeland betrachtet eine andere Phase, deren Ursprung mit dem 11. September festzumachen ist.

Befassten sich die vergangenen Folgen von Homeland zunächst mit dem Problem eines „umgedrehten“ US-Soldaten, der aus Middle East nach Hause kommt, einem Gebiet, in dem die USA chronisch militärisch intervenieren. Dann ging die Reise in verschiedene arabische Staaten und nach Afghanistan, wo immer neue Abenteuer auf die Akteure warteten. Homeland 5 schließlich handelte von einem geplanten Terror-Anschlag in Berlin, dem Problem also, dass durch die ständige Intervention in der arabischen Welt in die westlichen Metropolen zurückschnappt. Das soeben veröffentlichte Homeland 6 ist an Aktualität die bisher brisanteste Serie. In ihr wird das Missverhältnis zwischen Regierung und Geheimdiensten überdeutlich. Es wird gezeigt, dass sich die verschiedenen Organisationen gegenseitig behindern und dass ihre Eigendynamik so weit gehen kann, dass sie gewählte Präsidenten in der Öffentlichkeit zu beschädigen versuchen, weil diese nicht den Kurs der weiteren, ständigen Militärinterventionen weiter verfolgen wollen.

Unter dem Stichwort „Home Security“ sind seit dem 11. September 2001 verschiedene Organisationen entstanden, die nicht den Eindruck machen, auf die demokratische Verfassung verpflichtet zu sein, sondern den Interessen der unterschiedlichen Branchen geheimdienstlicher Tätigkeit. Dass im Namen des Heimatschutzes gar eigene Terroranschläge unternommen werden, um die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken, ist zumindest für Homeland 6 ausgemacht. Und dass Präsidenten von den Big Guys der Geheimwelt bewusst mit falschen Informationen gefüttert werden, die sie in die Falle locken sollen, scheint ebenso ausgemacht.

Die politische Brisanz der Serie Homeland 6 liegt in diesen Thesen. Angesichts der Tatsache, dass die Finalisierung der Serie während des turbulenten US-Wahlkampfes zwischen Hillary Clinton und Donald Trump stattgefunden hat, muss den Produzenten attestiert werden, dass sie einen guten und einen schlechten Riecher hatten. Die Dame, die als President elect in der Folge eine Rolle spielt, ist angesichts der Verwobenheit des Clinton-Clans mit der Washingtoner Nomenklatura zu positiv. Die Deutlichkeit jedoch, mit der das Treiben vor allem der CIA, aber auch des FBI inszeniert wird, erklärt genau die Verwerfungen, die sich sehr schnell zwischen Trump und besagten Organisation auftat. Sehr früh wies er, und das übrigens im Einklang mit der Auffassung der amerikanischen Öffentlichkeit, auf die nicht tolerierbare Eigendynamik dieser Organisationen hin. So wie es aussieht, musste er klein beigeben. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Homeland 6: Sehenswert und brandaktuell.