Egal, mit wem ich spreche, die meisten, auf die ich treffe, sind entsetzt von dem, was sie auf der politischen Bühne hierzulande erleben müssen. Ja, es gibt Ausnahmen. Eigenartigerweise sind es jene, denen man aufgrund ihres Bildungsgrades und ihrer Biographie eine andere, kritischere Herangehensweise unterstellen müsste. Allein dieser Umstand zeigt bereits, wo sich die Gesellschaft befindet. Auf der einen Seite eine Überzahl an Entsetzten, auf der anderen leicht mit der Zunge schnalzende gut in einer sozialen Blase aufgehobenen Exklusivkonsumenten.
Das zunächst mit Unglauben, dann mit Schock und heute nur noch mit nacktem Entsetzen Begutachtete, sind die politischen Verhältnisse, in denen wir uns befinden. Alles, was das Selbstverständnis und die politische Bildung einmal ausgezeichnet hat, ist einer grausamen Propagandaschlacht gewichen, in der durch die Monopole in Funk und Presse exklusiv diejenigen zu Wort kommen, die alles repräsentieren dürften, aber nicht die Interessen des ganzen Landes. Wenn, so sagte mir jüngst ein italienischer Nachbar, wenn das das Ergebnis einer funktionierenden Demokratie ist, dann handelt es sich um eine denkbar schlechte Staatsform.
Und in letzterem muss man ihm mittlerweile recht geben. Alles, was wir heute erleben müssen, ist – mit wenigen Ausnahmen – formal korrekt verlaufen. Dass als Produkt dieser Verfahren Hetzer, Korrumpierte, Landesverräter, Blender und Hasardeure die höchsten Ämter bekleiden, ist womit zu erklären? Ist es das Ergebnis einer Gesellschaft, die zu lange den großen Schluck aus der Pulle genossen hat und nun benebelt auf dem Sofa liegt? Ist es das Werk von Putschisten, die Schritt für Schritt die Säulen des politischen Systems infiltriert haben? Sind es die Propagandisten aus den Pressemonopolen, die den Journalismus als Kontrolle aller Institutionen kalt guillotiniert haben? Lange lässt sich darüber rätseln. Wahrscheinlich spielt alles zusammen. Und wenn das so ist, dann hilft nicht ein Papier von Experten, was nun im täglichen Geschäft zu verändern ist. Dann muss radikal verändert werden.
Wäre es nicht so beschämend, dann sollte man sich noch einmal der Weisheit südamerikanischer Rebellen aus einer anderen Zeit besinnen, die da sagten, um an die Macht zu kommen, brauchst du die Zeitung, die Lehrer und die Polizei. Dass ausgerechnet die wirtschaftliberalistischen Frondeure sich dessen beherzigten, gleicht einer Demütigung aller, die das Wort Freiheit oder Befreiung in ihrem politischen Bewusstsein mit sich herumtragen. Sie haben nicht nur die Presse, sie haben die Schulen und Universitäten, sie haben das Militär, Teile der Polizei und die Gerichte – sie haben alles besetzt.
Und weil sie die Arbeit vollbracht haben, ist der Zeitpunkt auch gekommen, dem ganzen Spektakel ein Ende zu bereiten. Wer will denn, dass das Land auf einen durch die eigene schäbige, unterwürfige und dilettantische Diplomatie immer wahrscheinlicher werdenden Krieg zusteuert? Wer will, dass die Militarisierung, getrieben von korruptem, lumpenproletarischem Gesindel, bezahlt wird von denen, die im Verwertungsprozess des spekulativen Finanzkapitalismus den Boden unter den Füßen verloren haben? Und wer will, dass die kollektive Verblödung, eskortiert von Denkverboten und einer reaktionären Moral, zum Standard einer Gesellschaft wird, die mental mit den Zähnen aufs kalte Pflaster geschlagen ist?
Schätzungsweise 10 Prozent der Bevölkerung. Der Rest befindet sich noch im Stadium der Irritation. Die Frage, die sich stellt, ist nicht die, ob, sondern wann das Gewitter losbricht, das dem Spuk ein Ende setzt!
