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Was ist der Preis für meine Welt?

Über das Falsche zu reden kann richtig sein. Immer über das Falsche zu reden isoliert. Und das zu Recht. Denn wer immer weiß, was falsch ist, aber nicht sagt, was richtig ist, verdient im besten Fall noch die Bezeichnung als Kassandra. Die schlechte Prophezeiung, gekoppelt an die falsche Welt, kann, je nach Kulturkreis, auch immer einmal wieder sogar Lust und Spaß bereiten, aber sie kann auch alle Lebensnerven töten. Dass wir in Deutschland in einer Soziosphäre leben, in der das Negative immer wieder goutiert wird, ist kein Geheimnis. Dass die Reflexion über das Falsche stets den Hauptfokus beansprucht, ebenso wenig. Dass allerdings die Suche nach dem Richtigen quasi unter den Tisch fällt, ist eine neue Qualität. Anscheinend, so könnte festgestellt werden, ist die Lösung von Problemen im gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr vorgesehen. Stattdessen erreichen die Probleme nicht nur das Zentrum aller Aufmerksamkeit, sondern auch deren tatsächliche oder vermeintlichen Verursacher. Es gilt das Motto, nachdem das Finden der Schuldigen erfolgreich war, ist das Problem eigentlich gelöst. Ein solches Szenario ist das der Inquisition. Wir wanken in die Dunkelheit der Inquisition und kaum jemand merkt es.

Über das Richtige zu reden ist schwer. Wer behauptet, zu wissen, wie alle Probleme gelöst werden, wartet in der Regel mit Rezepten auf. Rezepte bergen die Gefahr, unabhängig von den gegebenen Bedingungen nach einem Schema vorzugehen und alles Spezifische zu ignorieren. Historische Beispiele für diesen Irrweg existieren en masse. Dennoch versprühen sie in einem Umfeld, in dem die Dunkelheit des Falschen vorherrscht, große Attraktivität. Doch jenseits des trügerischen Scheins, das Richtige bereits in der Tasche zu haben, existiert ein Weg, der in das Richtige führen kann. Es ist ein indirekter Weg, der über eine Brücke führt, die da heißt, die richtigen Fragen zu stellen.

Die richtigen Fragen stellte auch Bertolt Brecht in den Fragen eines lesenden Arbeiters, der sich mit den Klischees der Geschichtsschreibung konfrontiert sah. Und, analog zu den dortigen Fragen, könnten in diesen Tagen auch Fragen gestellt werden, die das Falsche nicht huldigten und den Weg in eine richtige Realität weisen könnten:

Was sind die Ursachen für die gegenwärtige Massenmigration? Welche Rolle spielt Deutschland bei den Ursachen, die dazu führten? Was kann Deutschland tun, um die Ursachen ungewollter Flucht mit zu beenden? Was machen wir mit denen, die hier angekommen sind? Schicken wir sie zurück? Wer würde das machen und wie viele wären es? Was ist erforderlich, um die, die hier bleiben, in die Mitte der Gesellschaft zu bringen? Was machen wir mit allen, die keine Arbeit finden, unabhängig von ihrer Herkunft? Was müssen wir unternehmen, um ein Bild von dieser Welt zu erhalten, wie sie ist? Was ist erforderlich, um zu begreifen, welche Konsequenzen jeder tragen muss, wenn die Welt geändert werden soll? Was ist der tatsächliche Wille eines jeden? Und was ist der Preis dafür, dass mein Wille umgesetzt wird? Sind diejenigen, die für viele der Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden, tatsächlich verantwortlich, wenn alle, die sie kontrollieren könnten, den apathischen Weg vorziehen und sich enthalten? Welchen Stellenwert hat die Selbstkritik, wenn der Fokus vom Falschen auf das Richtige gerichtet wird?

Es wäre hilfreich, an solchen Fragekatalogen zu arbeiten und sich mit ihnen redlich auseinanderzusetzen. Es führt weiter, als die heißblütige Teilnahme an Etüden inquisitorischer Logik.