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Corona: Für ein Lamento keine Zeit!

Eine der Aussagen, die uns immer wieder erreicht, ist die Prognose, dass die gegenwärtige Pandemie wie eine Art Beschleuniger wirkt. Damit ist gemeint, dass Entwicklungen, die notwendig wie abzusehen waren, nun im Zeitraffer vollzogen werden können. Im Feld der Arbeit zum Beispiel. Viele Vorhaben, die unter der Chiffre der Rationalisierung gehandelt werden, sind nun, aufgrund des Ausnahmezustands, schneller zu vollziehen, als in, nennen wir es einmal Friedenszeiten. Technologische Erneuerungen sind damit genauso gemeint wie neue Formen der Organisation. Digitalisierung wie Home Office sind Begriffe, die das Wesen ganz gut charakterisieren. Ebenso sind damit aber auch Standortentscheidungen und Konzentrationsprozesse gemeint. In der Automobilindustrie bedeutet das zum Beispiel die Auslagerung des sehr wissens- und technikintensiven Motorenbaus. Er wird bald in unseren Breitengraden der Vergangenheit angehören und in anderen Ländern betrieben werden, während Batterieantrieb, der mit weniger Arbeitsintensität wie Qualifikation organisiert werden kann, in den hiesigen Standorten organisiert werden soll. 

Des Weiteren ist ein Monopolisierungsschub zu verzeichnen, der vor allem im Handel, in vielen Dienstleistungssektoren und in der Gastronomie bereits stattfindet. Globale Ketten treten an die Stelle lokaler Akteure. Die Folge all dessen wird eine Umschichtung der sozialen Verhältnisse mit sich bringen. Wie es in der bewährten Diktion der Kapitalverwertung so wolkig heißt, werden unzählige Arbeitskräfte freigesetzt werden, entweder durch Technologieschübe oder durch Besitzverschiebungen. Es hilft nicht, wenn man sich darüber beklagt. Denn so wirkt das kalte Herz des Kapitalismus, wenn im Rahmen der schöpferischen Zerstörung ganze Industriezweige und Wirtschaftssektoren und Regionen durch den Wolf gedreht werden. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Was hilft, ist immer die Frage danach, warum das so funktioniert wie es funktioniert. Und natürlich, ob es unweigerlich so funktionieren muss. Für ein Lamento ist allerdings keine Zeit. Und ein guter Anfang sind immer Fragen, die bei der Bearbeitung dessen, was unsere gesellschaftliche Existenz anbetrifft, nach den Triebkräften sucht, die das Dasein letztendlich bestimmen. Soviel Zeit muss sein.

Was nicht hilft, das sind Erklärungen, die es in ihrer Halbwertzeit nicht von der Formulierung im Kopf bis zur Aussprache schaffen. Eine dieser Erklärungen, die momentan für alles herhalten muss, ist der Terminus Corona, oder, noch schlimmer, corona-bedingt. jeden Tag werden wir von dieser Hülse malträtiert, die alles mit sich bringt, nur keine Klarheit. Wenn Betriebe sterben, ist das das Ergebnis einer politisch gewählten Entscheidung, wie die Pandemie bekämpft werden muss und was als systemrelevant eingestuft wird und was nicht. Und bei genauem Hinsehen sind die in diesem Kontext gelieferten Erklärungen sehr verräterisch. 

Die Gewinnzuwächse bei den globalen, weiter im Monopolisierungsrausch befindlichen Lieferservices werden selten mit dem Etikett des corona-bedingten Flows begründet, während die vielen Pleiten und der Ruin ganzer Sparten, die gesellschaftlich eine massive Bedeutung haben, wie zum Beispiel die Kulturindustrie, als ein Ergebnis dieses schrecklichen Virus apostrophiert werden. Damit, so die Schlussfolgerung, ist die Politik, die sich für bestimmte Maßnahmen entschieden hat, fein aus der Verantwortung. Dass sie, ganz im Sinne der Verwertungsinteressen der mächtigen Player handelt und diese weiter agieren lässt wie bisher, Corona hin oder her, soll dabei unter den Tisch fallen.

Wer darauf spekuliert, dass bei der massiven Vernichtung von Existenzen eine einfache Körpertäuschung ausreicht, um sich aus der Affäre zu ziehen, hat sich in der Regel, rein historisch gesehen, mächtig verkalkuliert.    

Corona: Das Erfreuliche an der Resignation

Sie erinnern sich? Anfang des Jahres 2020, als ein neuartiges Virus von sich reden machte und von China aus die Welt eroberte? In Europa begann es zunächst in Italien seinen Siegeszug, dann ergriff es Österreich und gelangte aus einem Nobel-Skiort in fast alle Winkel des Kontinents. Abgesehen davon, dass mit dem Auftauchen sofort die Legenden aus dem Boden schossen wie die Frühlingsknospen, die sich vor allem mit der Schuldfrage befassten und an Feindbildern arbeiteten, ließ sich schnell identifizieren, wie unterschiedlich einzelne Länder versuchten, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Während China genaralstabsmäßig vorging, d.h. die Zentren der Verbreitung isolierte und rigoros dagegen vorging, versuchte man es in Europa zunächst sanfter, und in den USA wurde seitens der Administration die Gefährlichkeit des Virus exklusiv geleugnet. 

Erkenntnisse drängten sich auf. Globalisierte Lieferketten funktionierten plötzlich nicht mehr, ganze Produktionszweige gingen in die Knie, Medikamente waren nicht mehr lieferbar, medizinische Grundausstattung wie z.B. Masken in ausreichender Menge waren nicht verfügbar. Schnell stellte sich heraus, dass die Globalisierung mit ihrer multiplen physischen Interaktion eben auch dazu geeignet ist, Krankheiten schneller zu verbreiten und dass die Produktion nach dem exklusiven Motto der Kostenminimierung, egal zu welchem kollateralen Preis, die lokale Autonomie meuchelt wie in einem perfiden Krimi. 

Und als auch hierzulande der Normalbetrieb heruntergefahren wurde, da wurde vielen plötzlich deutlich, wie viel Überflüssiges den vom Mantra des ständigen Wachstums gepeitschten Menschen auf den Schultern lastet. Und als das alles deutlich wurde, leuchteten neue Horizonte auf. Plötzlich wurde davon gesprochen, was alles aus dieser gleich einer höheren Gewalt auf die Gesellschaft niedergekommenen Krise gelernt werden könnte. Und viele meldeten sich zu Wort. Und sie ergriffen die Chance, um von einer Zukunft zu träumen, in der vieles anders sein könnte, und vieles nicht mehr stattfinden sollte, was schon seit langem als destruktiv, Natur und Menschen zerstörend und ohne Perspektive angesehen wurde. Ja, die Euphorie trieb manche soweit, dass sie den Kapitalismus mit seinen Verwertungsprinzipien, der immer wieder erneuernde, immer wieder Kriege inszenierende, immer mehr die Natur zerstörende, der mit dem kalten Herz, dass dieser Kapitalismus am Ende sei.

Nun, heute, im Angesicht des zweiten Lockdowns, sind diese Stimmen leise geworden. Zu sehr wurde im Laufe dieses Jahres deutlich, dass von selbst sich nicht viel mehr wird ändern können. Die viel zitierte gesellschaftliche Vernunft hat anscheinend keine Stimme, solange die Ultima Ratio der Kapitalverwertung das Zepter in der Hand hält. Die Löhne werden weiter gedrückt, wie am verheerendsten in der Pflegebranche deutlich wurde, das Gesundheitswesen folgt nach wie vor der betriebswirtschaftlichen Logik, und daher wurden keine Kapazitäten erweitert, die Vernichtung von gesellschaftlichem Kapital durch Erhöhung der Rüstungsausgaben erfolgt verstärkt, die internationale Konkurrenz wird weiter gepflegt bis zur massiven Produktion von Feindbildern und Appelle an internationale Kooperationen verpufften. 

Die Menschen, die sich so sehr eine Umkehr im Denken gewünscht hatten, sind zu der Erkenntnis gekommen, dass es keinen Zweck mehr hat, an das Gute zu glauben. Anstatt zu resignieren, ist diese Erkenntnis das Erfreulichste an der ganzen Krise. Sie hat gezeigt, dass alles so bleibt, wie es ist, dass es vielleicht noch schlimmer wird, wenn man in Passivität verharrt und an irgendwelche Mächte glaubt, die die Welt zu einer besseren machen würden. Die gibt es nicht. Das ist zwar eine alte Weisheit, aber manchmal muss es schmerzen, dass so etwas dem kollektiven Bewusstsein wieder einfällt. Es rettet uns kein höheres Wesen. Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun. Uns von dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!