Es gehört nahezu zu den Routinen innerhalb und zwischen Organisationen, dass ein Status erreicht wird, der als verfahren erlebt wird. Da sprechen Menschen oder Organisationen, die von sich, ihren Interessen und ihrem Vorgehen überzeugt sind, nicht mehr miteinander oder nur schlecht übereinander. Ist ein solcher Zustand erreicht, ist guter Rat teuer. Dennoch kommen immer wieder Akteure, die neu in diesen Kontext eintreten, auf die Idee, dieses Desaster auflösen zu wollen. Nicht selten kaufen sie sich dann sogar den besagten Rat von außen ein. Sie holen Spezialisten aus dem Metier der Kommunikation und bitten sie, einen Klärungsprozess zu inszenieren und zu moderieren.
Werden derartige Berater geholt, und nicht alle sind so schlecht wie der Ruf der Beraterszene oft vermuten lässt, dann legen sie, wenn sie etwas von ihrem Metier verstehen, großen Wert darauf, zunächst mit den einzelnen Akteuren bzw. Kontrahenten zu sprechen, um ihre Motivlage kennenzulernen und sie signalisieren ihnen, dass sie die einzelnen Standpunkte nicht bewerten wollen, sondern sie begreifen möchten. Dann organisieren sie eine Zusammenkunft aller Beteiligten und schlagen Regeln vor, die dazu dienen, einen solchen Prozess überhaupt zustande kommen zu lassen. Dazu gehört die Voraussetzung, dass die einzelnen Standpunkte zunächst einmal beschrieben werden, dass man sie dokumentiert und dann nach Möglichkeiten sucht, trotz interessenbedingter Divergenzen im Gespräch zu bleiben.
Es kommt vor, dass derartige Prozesse zu Ergebnissen führen, von denen die Beteiligten in der Regel in der Alltagsroutine nicht einmal zu träumen gewagt haben. Voraussetzung ist natürlich das, was in der Kommunnikationswissenschaft als eine gemeinsame Intentionalität bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass alle Beteiligten tatsächlich den Wunsch haben, aus der kommunikativen Sackgasse herauszukommen. Ist das nicht der Fall, dann kann man sich den Aufwand sparen.
Joe Biden, der neue amerikanische Präsident, wurde in den hiesigen Medien als ein solcher Innovator bereits gewürdigt. Man ging davon aus, dass er es wagen würde, die komplexe, komplizierte und fragile Lage im globalen Machtgeflecht mit frischen Ideen würde in ein Fahrwasser bringen können, das den Communication Breakdown, der in den letzten Jahren die Lage hat immer prekärer werden lassen, würde beenden können. Nun hat er Äußerungen von sich gegeben, die mit einem Schlag diese Hoffnungen zunichte gemacht haben. Einen Kontrahenten mit einem „Guten Morgen, Du Mörder“ zu begrüßen, ist genau das, was dazu führen würde, dass die Beteiligten eines Settings zur Wiederaufnahme einer verständnisorientierten Kommunikation vor Entsetzen würde aufschreien lassen. Um im Fachjargon zu bleiben, hat er sich eingeführt mit dem Slogan „Ich bin ok., Du bist ein Arschloch!“
Moralische Entrüstung ist in solchen Situationen eine schlechte Ratgeberin. Das Verharren in Illusionen ist allerdings nicht besser. Was der neue amerikanische Präsident mit dieser Einlassung in den internationalen Interessenkonflikt offenbart hat, ist seine Fixierung auf die alte Welt, deren Ordnung bereits hinter uns liegt. Die alte Ordnung mit der uneingeschränkten amerikanischen Hegemonie ist längst passé und der Versuch, sie quasi als Status quo ante wieder herzustellen, ist nicht ohne aggressive, kriegerische Politik denkbar. Und dafür scheint der oft als liebevoll dargestellte Onkel Joe zu stehen. Gemäß dem aus den Würgereien der Pandemie entstandenen Begriff des „Build Back Better“ wird eine Blockade internationaler Kooperation und Neuordnung angestrebt und werden die alten Schlachtrösser aus dem Stall geholt.
