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Universale Verhaltensmuster mit hohem Wiedererkennungswert

Rom. Die erste Staffel. Eine HBO-Produktion

Wenn ein neues Medium sich einen historiographisch tausendfach abgearbeiteten Stoff erneut vornimmt, so stellt sich die berechtigte Frage, was die Aufnehmenden damit bezwecken und die späteren Konsumenten davon haben können. Mit der ersten Staffel der HBO-Produktion unter dem Titel Rom ist das nicht anders. Sujet der zehnteiligen Fortsetzung ist die Zeit von Caesars kometenhaftem Aufstieg in der gallischen Provinz, seinem Zweckbündnis mit dem großen Feldherrn Pompeius, der die Stellung gegen die Republik in Rom hielt, bis Caesar zurückkehrte. Es geht weiter mit deren Zerwürfnis, welches den Untergang und Tod Pompeius nach sich zog, zu einer Stabilisierung von Caesars Tyrannei führte bis hin zu dessen Ermordung durch Senatoren wie seinen Ziehsohn Brutus. Das alles steht in Geschichtsbüchern und hätte durchaus dichter filmisch dargestellt werden können.

Dennoch ist es der Produktion zu danken, dass dieses nicht geschehen ist. Es wurde nämlich Wert darauf gelegt, die tatsächlichen Lebensverhältnisse sowohl der Pratrizier als auch der Plebejer so darzustellen, wie es die historische Forschung heute darstellbar macht. Zum einen wird dadurch Geschichte versinnlicht, was zu einem besseren Verständnis ihres tatsächlichen Verlaufes führt. Die Lebensverhältnisse auch von Randfiguren wie den beiden Soldaten Vorenus und Tullus verdeutlichen, dass die damalige imperiale Metropole alles andere als eine strahlende Stadt war, sondern dass Dreck und Krankheiten, Messer und Mord ebenso in den Straßen anzutreffen waren wie die eine oder andere Sänfte, in der die Macht spazieren getragen wurde. Bis hin zu derben Wandzeichnungen, die an das heutige Graffiti erinnern und einer frühen Illustration der Interpretation von Politik durch das einfache Volk zu werten ist, entsteht so ein Bild, das historisches Handeln vergleichbar macht.

Und so ist es dann alles gar nicht mehr so fern, was an tatsächlicher historischer Handlung erzählt wird. Die Intrigen um die Macht kommen einem genauso bekannt vor wie die Strategien ihrer Ergreifung und Bewahrung. Vom Auftragsmord, über die Bestechung bis hin zu Täuschung und Lobbyismus erscheinen dann viele Szenen der historischen Handlung als sehr modern.

Die Charakterisierung der politischen Protagonisten ist eine weitere Stärke der Produktion, weil sie auf die Reduktion auf das Klischee verzichtet und die Akteure so darstellt, wie das Leben nun einmal spielt: So ist der Tyrann Caesar alles andere als ein unsympathischer Mensch, hingegen der große Redner Cicero ein besserwisserischer Querulant, während sich der wuchtige und brutale Feldherr Pompeius als ein liebender Familienvater entpuppt, Brutus, der letztendlich das Messer zückt, bleibt bis zum Schluss ein Zweifler und die einst hingebungsvolle und kontrollierte Liebhaberin Servillia mutiert zu einer kalt berechnenden Rankünegöttin. Die in hohem Maße unterhaltende Produktion vermittelt so eine Vorstellung von Geschichte, in der die menschlichen Schwächen als eine große Macht dargestellt werden und die Schwarz-Weiß-Malerei keine Chance hat.

Rhetorik ohne Wesen

Als der ob seiner Anlagen sehr viel versprechende Cicero von seinem Vater nach Griechenland geschickt wurde, um das Reden zu lernen, fuhr er dorthin mit der Zweckbestimmtheit eines Römers, der weiß, was er will. Er suchte die großen Rhetoriklehrer seiner Zeit auf und verschaffte sich einen Eindruck, indem er in den großen Rhetorikschulen jeweils einige Wochen hospitierte, bis er deren Wesen zu erkennen glaubte. Letztendlich war ihm die Griechische Schule zu manieriert und artifiziell, oder, wie Cicero das nannte, zu parfümiert. Als letzte Station suchte er sich Rhodos aus, wo der Römer Apollonius Molon eine renommierte Schule betrieb. Dort blieb er und war erstaunt über das, was Molon ihn lehrte. Als erstes stopfte dieser den schlaksigen Cicero mit Eiern und Sardinen voll und ließ ihn wochenlang Gewicht zulegen, dass er durch sportliche Aktivitäten in Muskulatur verwandelte. Er bestieg mit ihm Berge in der Mittagshitze und ließ ihn dabei erzählen, damit er seine Atmung kontrollierte, er stelle ihn vor die Meeresbrandung und ließ ihn schreien. Molon Verstand sein Handwerk. Der junge Cicero wurde zunehmend ungeduldiger und wollte wissen, wann er denn endlich lerne, gute Reden zu halten. Als Molon glaubte, der Zeitpunkt sei gekommen, erschien Cicero mit Aufzeichnungen, an denen er lange gefeilt hatte und wollte mit seiner ersten Rede seinen Lehrer beeindrucken. Doch dieser nahm ihm schlichtweg die Aufzeichnungen aus der Hand und warf sie weg. Molon nahm den entsetzten Cicero am Arm und ging mit ihm in eine Villa. Er forderte seinen Schüler auf, sich die Architektur und die Anordnung der Räume genau zu merken. Anhand dieser Architektur solle er im Kopf seine Rede konzipieren und sie dann frei halten.

Zumindest die Niederschriften von Ciceros Reden, die uns bis in die Schulen unserer heutigen Zeit verfolgen, lassen ahnen, wie außergewöhnlich die Disziplin der Rhetorik ausgebildet gewesen sein muss. Es handelte sich um eine Qualität, die bestach durch Klarheit, Ordnung, Maß, Physik, Logik, Vernunft, Anspruch, Nachdenklichkeit und Metaphorik. Und wohl dem, der die Gelegenheit hat, an dieser längst in die Vergessenheit geratenen Hohen Kunst durch die Literatur teilzuhaben. Und diesen Glücklichen sei geraten, sich die Reden derer genau anzuhören, die heute wie Cicero im politischen Geschäft sind und uns Menschen der Neuzeit zu werben und zu überzeugen suchen. Da verbleibt, bis auf wenige Ausnahmen, nicht viel von der Eigenschaft der Rede, nach der man dürstet und die durch ihre Qualität fasziniert. Stattdessen hagelt es Appelle an die niedrigen intellektuellen Instinkte, an das Phlegma und den Müßiggang. Unter dem Vorwand des Verständnisproblems wird das Auditorium zu einer dumpfen Masse abgewertet, der man nichts zumuten könne, weil sie es sonst nicht begreife. Dabei suchen die mäßigen Sprecher ihre Lauheit unter diesem Argument zu verbergen.

Der Bildungsgrad der Adressaten einer guten Rede steigt mit dem Anspruch. Und das Interesse am Subjekt steigert ihren Willen zuzuhören. Wer etwas Spannendes zu erzählen hat, dem hören die Menschen zu. Und wer das auch noch gut macht, dem hören sie noch lieber zu. Das Volk ist nicht die Ursache für eine Rhetorik ohne Wesen.