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Durchgefallen!

Christopher Nolan. Dunkirk

Wenn schon einen Kriegsfilm drehen, dann aber mit einer Haltung! Man kann sich die großen Schlachtbewegungen des II. Weltkrieges aussuchen und versuchen, ihre strategischen Positionen transparent zu machen. Dünkirchen 1940 stellte eine Situation dar, über die bis heute viele Historiker rätseln. Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang war die, warum die Deutsche Wehrmacht nicht nachsetzte, um die Invasion der Briten zu einem vollkommenen Debakel zu machen. Der Krieg hätte wohl eine dramatische Wende genommen. Ob das über Sieg oder Niederlage entschieden hätte, sei dahingestellt. In seinem Film Dunkirk macht der bekannte Regisseur Christopher Nolan (u.a. Batman) jedoch etwas anderes.

Es ist ein Film der Bilder. Und zwar von Bildern mit dem großen Besteck der Animation. Das tatsächlich nachweisbare große Elend, das trotzdem aus dem glimpflichen Rückzug der britischen Streitkräfte nach einer missglückten Invasion im belgischen Dünkirchen resultierte, geht unter in einem Orkus faszinierender, in Farben getränkter Bilder über den Strand, die See und die zwischen Himmel und Meer stattfindenden Luftkämpfe. Die spärlichen Dialoge können keinen Schlüssel bieten über den tatsächlichen kriegshistorischen Kontext. Zu sehen sind verzweifelte Individuen, die versuchen, zu retten, was zu retten ist. Die gewaltigen Bilder gehen einher mit der mächtigen Geräuschkulisse einer tobenden Kriegsmaschinerie. Und ganz nebenbei, unterschwellig, wird die Sympathie mit denen deutlich, die vor dem Schicksal standen, quasi schutzlos flüchten zu müssen.

Und auch diese Thematik hätte Gelegenheit geboten, eine mehr als aktuelle Frage zu stellen. Wie, so hätte sie geheißen, muss es Menschen gehen, die jenseits staatlich organisierter Flucht vor dem gleichen Schicksal stehen? In einer Zeit, in der Millionen Menschen aufgrund militärischer Kampfhandlungen auf der Flucht sind, wäre das ein Aspekt gewesen, der vielleicht dabei geholfen hätte, ein Publikum zu sensibilisieren für die unvermeidbaren Folgen von Kriegen.

Stattdessen, und diesen Vorwurf kann ich der Regie nicht ersparen, fand eine Ästhetisierung von Kriegshandlungen durch einen Rausch von Bildern statt, die jenseits des historischen Kontextes Bestand hätten. Es wäre eine Umfrage wert, was dieser Film mit denen macht, die ihn ansehen. Bei meinem Kinobesuch und der Beobachtung des Publikums und seiner Gespräche nach Ende der Vorstellung hatte ich durchweg den Eindruck, dass, wenn überhaupt, die Reaktion eine emotionale war. Erstens, Krieg erzeugt Leid, was ja noch akzeptabel ist und zweitens, faszinierende Bilder, was ein Armutszeugnis darstellt. Aus dem Gemetzel auch dieser folgenschweren Episode des II. Weltkrieges eine Faszination der Bilder zu machen, ist eine unzulässige Romantisierung.

Zudem hätte mich interessiert, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer durch den Film einen Eindruck davon bekommen hätten, was Dünkirchen historisch wirklich bedeutet hat. Ich wage die Antwort: Keinen! Insofern stelle ich in Bezug auf den wegen seiner technischen Realisierung allenthalben gelobten Film die Frage, was das soll? Geht es darum, Krieg zu einem Faszinosum zu machen, das gottgewollt über die Menschheit hereinbricht? Eine traurige Bilanz! Alles ist legitim, aber es muss sich einer kritischen Reflexion stellen. Und da fällt Dunkirk durch.