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Machterhalt als kollektives Ziel

Die Bundespressekonferenz hätte als Groteske nicht besser inszeniert werden können. In der Mitte saß der Sprecher des Kanzleramts, Steffen Seibert, gereizt und unausgeschlafen, links neben ihm ein Vertreter des Innenministerium, der wie im ministeriellen Geschäftsmodus wirkte und zu seiner Rechten eine Dame aus dem Auswärtigen Amt, die auftrat wie ein indignierter Chief of Staff aus dem Club Med, in einer maritim wirkenden Gardeuniform. Während der Vertreter des Innenministeriums betonte, es sei Aufgabe seines Ministeriums, Fragen von Bundestagsabgeordneten nach Wissenstand seines Hauses zu beantworten, graunte Seibert, der Flüchtlingspakt mit der Türkei sei aber nicht davon betroffen, und die Vertreterin des Auswärtigen Amtes wiederum betonte in einem sehr verärgerten Ton, ihr Haus wiederum teile die Erkenntnisse und die daraus resultierenden Aussagen des Bundesinnenministeriums nicht. Letzteres stützte sich auf Informationen des Bundesnachrichtendienstes, der die Türkei als eine Drehscheibe der Unterstützung des islamistischen Terrors einstufte.

Jeder, der sich ein wenig jenseits des „Leute, die Welt ist prima-Journalismus“ zu informieren weiß, konnte in den letzten Monaten Dutzende von Berichten in CNN, BBC oder auch deutschen Zeitungen wie dem Freitag darüber informieren, wie türkische Bus- und Taxifahrer freiwillig und auskunftsfreudig darüber berichteten, dass sie täglich Hunderte von IS-Kämpfern aus der Türkei an die syrische Grenze transportierten, wo diese dann zum Kampfeinsatz gelangten. Und es ist ebenfalls schon lange kein Geheimnis mehr, dass Erdogan die ägyptischen Muslimbrüder wie die HAMAS als Bündnispartner hofiert. Das, was der Bundesregierung an den Erkenntnissen nicht passt, ist, dass sie Einfluß auf das so genannte Flüchtlingsabkommen mit der Türkei haben könnten. Denn nichts ist wichtiger, als die Flüchtlinge irgendwo, nur nicht in Europa zu halten, sonst könnten die nächsten Wahlen mächtig aus dem Ruder laufen. Dass allerdings eine konsequent durchgepaukte Unglaubwürdigkeit die beste Referenz ist, um bei den nächsten Wahlen richtig auf die Schnauze zu fallen, scheint nicht im Bewusstsein angekommen zu sein. Die Krise der groß-koalitionären Politik ist jedoch eine Krise der Glaubwürdigkeit.

In Bezug auf die Aussage, die Türkei sei eine Drehscheibe der Unterstützung des islamistischen Terrors, seien drei Aspekte angesprochen. Erstens: inwieweit ist ein Vertrag mit der Türkei, der die Folge islamistischer Terrorinterventionen in Syrien zum Thema hat, nicht umgehend nichtig, wenn die Ursachen für Tod und Flucht von einem der Vertragspartner weiterhin aktiv genährt werden? Zweitens: wie ernst nimmt sich die Bundesregierung, wenn sie trotz dieser Erkenntnisse an dem Vertrag festhalten will und gleichzeitig dafür wirbt, die Ursachen für die Flucht zu bekämpfen? nähme sie diese Aussage ernst, dann müsste sie die türkische Regierung bekämpfen. Und drittens: welchen Einfluss hat das Verhalten der Türkei auf seine NATO-Mitgliedschaft? Nicht, dass nicht lange bekannt wäre, dass es mit der Wert Gemeinschaft gar nichts auf sich hat, allerdings die Toleranz soweit gehen zu lassen, dass Mitglieder gegen die operationalen Ziele des Bündnisses in einem Konflikt direkt und aktiv sabotieren dürfen, spricht für ein baldiges und tragisches Ende dieses immer schriller wirkenden Bündnisses.

Der Sketch, der in Berlin aufgeführt wurde, war ein weiteres Zeichen für die zunehmende Verwahrlosung der Bundesregierung. Es stellt sich heraus, dass als Maxime nur noch der Wunsch nach dem Machterhalt existiert. Wer derartig abgewirtschaftet hat, der kann gewiss sein: es dauert nicht mehr lange, und die Tage sind gezählt.