Schlagwort-Archive: Brasilien

Die Sieger bestimmen, was in den Büchern steht!

Das, was in den Geschichtsbüchern irgendwann einmal als große, heroische und historische Tat festgehalten wird, stellt sich nicht selten als eine maßlose Übertreibung heraus. Man denke nur an den Sturm auf das Winterpalais in Sankt Petersburg, der später als das Initial der großen und glorreichen Oktoberrevolution durch Berge von Literatur, durch Gemälde und Musikstücke glorifiziert wurde. Er war nichts anderes als die verwegene Tat einiger weniger zu allem entschlossenen Revolutionäre, die in einem schlecht bewachten Palast auf keinen nennenswerten Widerstand stießen.

Ähnliches wird vom Sturm auf die Bastille berichtet. Das Pariser Gefängnis war alles andere als der Gefangenenturm für die französischen Revolutionäre, sondern ein für die Zeit stink normaler Strafvollzug für Diebe, Betrüger und Prostituierte. Auch dieser Turm war schlecht bewacht und es reichten wenige Rebellen aus, um die Festung zu nehmen. Aus der Bastille ein Symbol des monarchistischen Despotismus zu machen, war ein grandioser propagandistischer Akt, mehr aber auch nicht.

Die Liste lässt sich bis in unsere Tage fortsetzen und sie betrifft auf keinen Fall nur Revolutionen. Wir kennen gerade die Schauergeschichten, mit denen in den letzten 30 Jahren Kriege begründet wurden und wissen eines sehr genau: Die Geschichte wird von den Siegern erzählt. Und selbstverständlich werden die Taten der Sieger groß geschrieben und glorifiziert und die Perspektive der Unterlegenen verschwindet. Man muss kein Pedant sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass vieles, was unseren eigenen Kulturkreis betrifft und folglich in unseren Geschichtsbüchern steht, aus der Feder der Sieger stammt. Nachfolgenden Generationen bleibt in der Regel nichts anderes übrig, als sich darauf zu verlassen, bis sie irgendwann beginnen, die Erzählungen zu hinterfragen und zu anderen Sichtweisen kommen.

Hoch aktuell in Bezug auf die Geschichtsschreibung ist die Darstellung des II. Weltkrieges. Ein wenig Recherche reicht, um herauszufinden, dass der Krieg gegen den Faschismus in Stalingrad entschieden wurde, die Rote Armee rückte nach dieser Schlacht nach Westen vor und erst danach traten die USA in den Krieg ein und die Landung in der Normandie folgte später. Dennoch wird letztere als Wendepunkt des Krieges in Geschichtsbüchern wie politischen Reden genannt und die 27 Millionen toten Menschen aus der Sowjetunion und die Schlacht bei Stalingrad, geschweige denn die Blockade von Leningrad mit ihren 2 Millionen Toten wie die Befreiung der KZ-Häftlinge durch die Rote Armee finden gar nicht mehr statt. 

So funktioniert das Gewerbe der Historiographie. Die Sieger bestimmen, was in den Büchern steht. Man sollte sich diese Erkenntnis nur ab und zu ins Gedächtnis rufen. Und es wird spannend sein, was nach dem Krieg in der Ukraine zu lesen sein wird. Eines zeichnet sich jedoch bereits ab: es werden nicht die Erzählungen sein, die man uns heute täglich präsentiert. Denn die, die sie verbreiten, werden nicht zu den Siegern gehören.

Ein anderer Aspekt sollte noch Erwähnung finden. Die Geschichte der Dekolonisierung ist ebenfalls eine Geschichte der Sieger. Es sind die Völker, die die europäischen Kolonialmächte aus ihren Ländern vertrieben haben und denen es gelungen ist, eine eigene Souveränität zu erlangen. Zu ihnen gehören heutige globale Riesen wie China, Indien, Indonesien und Brasilien, um nur die bevölkerungsreichsten zu nennen. Wer glaubt, dass in den Geschichtsbüchern dieser Länder die heutige Darstellung der ehemaligen Kolonisatoren steht, sollte sich schleunigst daran machen, sich Kenntnisse über die Sicht dieser Länder auf ihre eigene Geschichte und die Rolle des Westens zu verschaffen, um nicht in tödliche Irrtümer zu verfallen.  

Der Putsch in Brasilien

 

Eines der dynamischsten Länder des letzten Jahrzehnts erlebt momentan dramatische Tage. Brasilien, die erste Chiffre in den BRIC-Staaten, scheint aus seiner Reform- und Gestaltungsphase in eine Sackgasse eingemündet zu sein, die dunkle Schatten voraus wirft. Lula da Silva, der große Gewerkschafter, der vor 15 Jahren mit seiner Präsidentschaft so viele Hoffnungen wecken konnte, der der Welt zeigte, wie man Staatsgeschäfte nach beabsichtigter Wirkung steuern konnte, zerschlug die vielen Konsortien der Lobbys, die vom Elend anderer lebten. Als er nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren konnte, hinterließ er der ehemaligen Guerillera Dilma Rousseff zwar eine solide Parlamentsmehrheit und Stützen im Staatsapparat, aber auch Lula war einem Phänomen erlegen, dass die Linken dieser Welt immer wieder trifft: Sie sind zu milde mit denen, die sie vertrieben haben und räumen ihnen Chancen ein, die sie selbst von diesen niemals erhalten hätten. Es ist das Stigma, das aus dem Wunsch, besser zu sein als die Bösen resultiert.

Und genau diese Schichten, die Brasilien an der Entwicklung zu einem modernen Staat gehindert hatten, genau diese Schichten hatten sich, als Lula da Silva an Rousseff übergab, längst wieder formiert und im Senat schon Position bezogen. Es sind die Großgrundbesitzer, die Aktionäre und die Besitzer der Minen, die sich dort versammelt haben und die vom ersten Tag an Rankünegedanken gegen die Modernisierer hegten. Nun, nach insgesamt 15 Jahren, haben sie mit einem Manöver, das als schlechter Scherz in die Geschichtsbücher eingehen wird, eine demokratisch gewählte Präsidentin mit einer gekauften parlamentarischen Mehrheit des Amtes enthoben.

Die Kräfte der untätigen Reichen, die nun in Brasilien an der Macht sind, haben der sozialistischen Präsidentin genau das vorgeworfen, was sie selbst begangen haben. Der Begriff, den Dilma Rousseff selbst verwendete, nämlich dass es sich um einen Putsch handele, trifft ziemlich genau die Umstände. Rousseff wurde bezichtigt, Kredite anhand von Tricks vergeben und den Staat um Steuern betrogen zu haben. Beides hat die Präsidentin in stundenlangen Ausführungen eindrucksvoll widerlegt. Sie konnte dokumentieren, dass derartige Manöver in einer öffentlich arbeitenden Demokratie nicht möglich sind. Dennoch stimmte die Mehrheit gegen sie, mit dem einen Motiv, dass viele Täter kennen. Diejenigen, die Rousseff des Amtes enthoben, sind genau diejenigen, die auf den Anklagelisten für bevorstehende Korruptionsverfahren standen. Da schrien die Diebe Haltet den Dieb! Es war ein Putsch!

Und es war ein Putsch, der sich nicht als eine Verwerfung bestimmter Fraktionen im Parlament abtun lässt. Ohne Wahlen, d.h. ohne demokratische Legitimation haben die Amtsentheber um den neuen Präsidenten Michel Temer verkündet, nun einen Kurs des drastischen Sparens fahren und rigoros vor allem bei den Sozialausgaben kürzen zu wollen.

Es ist ein Kurs, der aus dem zerfledderten Regiebuch des Wirtschaftsliberalismus stammt und kurz und bündig bedeutet, dass alles, was eine stärkere Partizipation der Besitzlosen am gesellschaftlichen Leben befördern könnte, dem Rotstift zum Opfer fällt und stattdessen die Besteuerung des organisierten Müßiggangs ein Ende haben soll. In einer dynamischen Gesellschaft wie der Brasiliens bedeutet dieses Klassenkampf und den Kampf um die Macht. Die Absetzung von Dilma Rousseff läutet weit unruhigere Jahre in Brasilien ein, als diejenigen, die hinter ihm liegen. Die Demokratie hat eine Niederlage erlitten. Der Putsch wird nicht ohne Folgen bleiben.

Die Welt ist nicht gerecht

Eigentlich ist es skurril. Nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien ist kein Rausch, sondern ein Kater eingetreten. Anstatt dass die Akteure, die direkt beteiligt waren, hierzulande euphorisiert in ihren Fußballalltag gingen, hingen sie herum, als seien sie zurück im zivilen Leben nach einer langen Geiselhaft. Selbst die Reservisten von der Bank kamen mit Formkrisen zurück, die kaum jemand erklären konnte. Einmal abgesehen davon, dass das Ganze eine ungeheure physische Tortur war, über die wenig berichtet wurde, psychisch hätte nach dem Erfolg der Erfolge ein Hype folgen müssen, der ausblieb, wofür die Auftritte der Nationalmannschaft den besten Beleg geben.

Und nicht nur die Akteure, auch das Publikum trottet samstäglich eher desinteressiert in Stadien oder Sky-Kneipen, um sich das anzusehen, was alle wissen. Es hat sich nämlich nichts geändert durch den Titel. Alles ist beim Alten geblieben. Der FC Bayern dominiert die Liga wie immer und alles, was er veranstaltet, ist Weltklasse und der Rest ist Provinz. Dass das so bleibt, dafür sorgen die gegenwärtig auf freiem Fuß befindlichen Vorstandsmitglieder. Wie immer schon sind sie dabei, dem momentan einzigen Rivalen einen weiteren Schlag zu versetzen, von dem sich dieser nicht mehr so einfach erholen wird. Nach der während des Champions-League-Wettbewerbs stinkigen Abwerbung von Götze folgte Lewandowski. Nun steht laut Rummenigge noch Reus auf dem Zettel. Kein Grund zur Aufregung. So handeln Monopolisten. Der Staatsclub aus München, fest am dortigen Prozess der Balkanisierung beteiligt, ist eher ein Fall für das Bundeskartellamt. Aber dort ist man auf die Idee nicht gekommen.

Dass Jürgen Klopp mit Hinweis auf die jüngsten Manöver aus München ins Mikrophon sprach, er glaube an Gerechtigkeit im Leben, und auch böse Taten würden irgendwann geahndet, ehrt ihn als Pädagogen, erweckt allerdings auch etwas Mitleid. Angesichts der Monopolisierung des deutschen Fußballs und der Berichterstattung über ihn so etwas von sich zu geben, klingt schon eher nach Defätismus. Letzterer ist bekanntlich schlimmer als feindliche Kanonen. In diesem Fall ist Kampf besser als Räsonnement. Wollen wir hoffen, dass der BVB in München zeigt, was Moral ist. Taktisch sind sie besser, aber das Personal wurde zu schnell abgeworben. Und wer kann es Spielern verübeln, denen viel Geld, Erfolg und ein Sitz im Alpenvorland geboten wird, wenn sie Gelsenkirchen-Buer oder Dortmund-Wickede verlassen?

Apropos Berichterstattung. Nicht alles wird erzählt, da hält man sich an Nachrichtensprerren, zumindest wenn es um den FC Tegernsee geht. Dass der Gomez so klanglos gehen musste und der Schweinsteiger nie mehr spielt, wenn der Gomez in der Nationalmannschaft aufgestellt ist und umgekehrt hat Gründe, aber das ist Privatsache. Stimmt. Nur, dass bei anderen, die woanders spielen, darauf gepfiffen wird.

Und natürlich Schalkes neuer Trainer Di Matteo. Seitdem er als Coach des Londoner Clubs Chelsea den Bayern das Endspiel Dahoam versalzen hat, gilt er als Beton-Philosoph. Mit einer klugen Defensiv-Taktik und einem gravierenden taktischen Fehler seines damaligen Pendants Jupp Heynckes war es ihm gelungen, den Bayern den Titel im eigenen Stadion zu nehmen. Und kaum ist er in Schalke angekommen, da wird die Spielweise der Schalker als Anti-Fußball auf der ganzen Linie bezeichnet, während noch zwei Wochen vorher das desolate Abwehrverhalten beklagt wurde. Da wird noch manches kommen, so sehr die Verherrlichung auf der einen Seite zelebriert wird, so sehr wird die Diskriminierung gezogen, sobald der Glanz des Alleinherrschers gefährdet gesehen wird. Die Welt ist nicht gerecht. Deshalb ist das jetzt alles so langweilig. Monopole killen die Konkurrenz und produzieren Eiszeiten. Bis die rum sind, sind die Vorräte aufgebraucht.