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USA: Rache als politisches Leitmotiv

Wir wissen seit langem, dass die Bezugnahme auf das Völkerrecht nur dann genehm ist, wenn andere es verletzen. Bei den eignen Verstößen wird geschwiegen oder mit Euphemismen gearbeitet. Der sich zumeist anschließende Verweis auf die Wertegemeinschaft ist an Zynismus nicht zu überbieten, aber bereits derartig geläufig, dass die spontane Rebellion ausbleibt. Sicher ist, dass das Personal, das sich weder an das Völkerrecht noch an den zivilen Umgang miteinander hält, zur größten Belastung für den Weltfrieden geworden ist. Es ist höchste Zeit, sich gegen die zu richten, die mit ihrem Handeln den Kriminellen in dieser Welt argumentative Schützenhilfe leisten. 

Die Hinrichtung des iranischen Generals Souleimani ist so eine Übung, an der sehr gut durchgespielt werden kann, wie Recht und Wahrheit verdreht werden und die Propaganda als Täuschungsinstrument eingesetzt wird. Da befindet sich der ranghöchste General eines souveränen Staates in dem Nachbarland, deren offizielle Vertreter ihn eingeladen haben, um ihn beim einer Friedensinitiative in der Region dabei zu haben. Die vor allem zuletzt zu beobachtende regionale Wertschätzung des Mannes lag vor allem an seinen Erfolgen bei der Bekämpfung des IS. Und eben bei einer friedlichen Mission wird er von einem gezielten amerikanischen Luftschlag hingerichtet? ermordet? liquidiert?

Die drei angebotenen Formulierungsmöglichkeiten beziehen sich semantisch auf eine solche Tat. Sie war völkerrechtswidrig, weil sie ohne Wissen und Bitte der irakischen Regierung geschah, sondern einzig und allein der Fieberfantasie amerikanischer Kriegstreiber als Notwendigkeit entsprang. Im Jargon des solche Operationen durchführenden Militärs wurde General Souleimani finalisiert.

Die deutschen Medien machten hinsichtlich der für die Hinrichtung benutzten Formulierung eine leichte Metamorphose durch. Begann die Berichterstattung mit dem Narrativ der Tötung, so folgte kurze Zeit später die erweiterte Wortwahl der gezielten Tötung. Was unter anderen Umständen ein gemeiner, hinterhältiger und feiger Mord gewesen wäre, ist im Abhängigkeitsverhältnis vom amerikanischen Imperium eben eine Tötung, allenfalls eine gezielte Tötung. Seit zwei Tagen jedoch wird teilweise von einem Attentat gesprochen, was abrückt von der Vorstellung eines klinisch sterilen Laborversuchs und die Tür offen lässt für die Fantasie des Straßenterrors. Immerhin! Dass gezielt Kriegerische, das hinter der Tat steckt, bleibt auf der Strecke, bei allen Konzessionen an die Darstellung der tatsächlichen Tat und ihrer Motive.

Woran allerdings pausenlos gearbeitet wird, das ist die schlechte Beleumundung des Opfers. Das ist nicht so schwer, denn der ranghöchste Militär eines autoritären Regimes hat in der Regel Blut an seinen Händen. Was sich in eine solche Argumentation einschleicht, ist genau das, was Recht und Moral, auf die sich so vehement bezogen wird, ausschließen: die staatlich ausgeübte Rache. Wer Rache zu seinem politischen Leitmotiv macht, hat sich zum Gegenteil des Rechtszustandes entwickelt, der Rache und persönliche Ranküne ausschließt und von einer gesellschaftlich akzeptierten Basis ausgeht, die definiert, was vernünftig und notwendig ist.

Die Hinrichtung oder der Mord an dem iranischen General geht uns, unabhängig von der konkreten historischen Figur, alle an. Die Operation des amerikanischen Militärs im Auftrag des Präsidenten ist ein krimineller Akt, der mit Rachegelüsten begründet wurde und von vielen im eigenen Land aufgrund dessen akzeptiert wurde. Die allzu leichte Aufgabe internationaler Rechtsprinzipien beschreiben einen Zustand, der nicht anders als mit dem Terminus Krieg beschrieben werden kann. Die in diesen Tagen immer wieder hervorgebrachte Befürchtung, wir stünden vor einem neuen Krieg, ist eine – bewusste – Verkennung der Tatsachen. Wir sind mitten drin! Das Recht ist außer Kraft gesetzt und die Rache regiert.  

Graf Stauffenberg und der Putsch in der Türkei

Heute, am 20. Juli, werden wieder Gedenkfeiern stattfinden. Man wird sich auf Graf Stauffenberg berufen, jenen Offizier, unter dessen Namen ein missglücktes Attentat auf den Diktator Adolf Hitler in die Geschichte eingegangen ist. Die offizielle Politik wird wie jedes Jahr den Männern um Stauffenberg ihre Referenz erweisen und ihnen die Ehrenbezeichnung des anderen Deutschland zusprechen, womit das humanistische, demokratische Deutschland jenseits des Faschismus gemeint ist. Und es wird eine Ethik räsoniert werden, die besagt, dass auch der politische Mord im Angesicht einer grausamen Diktatur eine angemessene und bewundernswerte Sache sein kann.

Was bei den Reden allgemein vergessen wird ist die genaue Analyse der historischen Situation wie der politischen Ziele des Kreises um Stauffenberg. Denn im Juli 1944 war die Wende des Krieges bereits vollzogen und vollkommen klar, dass Deutschland am Ende den Krieg verlieren würde. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob es ein Attentatsversuch gegeben hätte, wenn Deutschland noch auf dem Vormarsch gewesen wäre. Aber es ist sicher, dass der Teil der Generalität, der Hitler ein Ende setzen wollte, im Hinblick auf die gemachten Eroberungen retten wollte, was aus ihrer Sicht zu retten war. Und was die Staatsform anbetrifft, die die Faschistendiktatur ablösen sollte, so war von einer konstitutionellen Monarchie die Rede. Ansinnen, Motiv und Intention dieses 20. Juli verströmen nicht unbedingt die Aura von Humanismus und Demokratie, sondern von vielleicht preußischem Realismus, und staatsräsonablem Militarismus.

In diesem Kontext stellt sich natürlich die Frage, wieso ein solches Ereignis in dem demokratischen Narrativ der Bundesrepublik einen derartig hohen Stellenwert einnehmen kann. Die Antwort liegt an einem einfachen Umstand: der sozialdemokratische wie der kommunistische Widerstand galten in der Geschichtsschreibung während des Kalten Krieges als das Werk von Aussätzigen und die Eliten der neuen Republik standen in keiner demokratischen Tradition. Das einzige, auf das man sich berufen konnte, war der systemimmanente Widerstand gegen Hitler. Stauffenberg, dem eine eigene, persönliche Integrität und Courage attestiert werden muss, stand nie für eine demokratische Tradition und nicht für einen demokratisch motivierten Widerstand.

Dennoch wird an der Erzählung weitergearbeitet, obwohl es Anlässe gäbe, das Irreleitende zu korrigieren und aus der Fälschung ein Original zu machen. Der vermeintliche Putsch in der Türkei und die Gegenmaßnahmen in diesen Tagen wäre ein solcher Fall. An ihm ließe sich ablesen, wie wir zu der Aussage stehen, dass es legitim ist, sich gegen den Tyrannen zu erheben, um Schaden von der Nation abzuwenden. Und wenn der Tyrann sich als ebenso grausam und unberechenbar herausstellt wie das historische Vorbild, dann wäre die Ableitung, dass auch das Militär das moralische Mandat besitzt und intervenieren müsste.

Aber genau diejenigen, die heute wieder ihre tränenschwangeren Reden halten werden, um dem unglücklichen Stauffenberg die Ehre zu erweisen, waren sehr schnell zu hören, dass sie dem Tyrannen vom Bosporus eine demokratische Legitimation zusprachen, obwohl diese als Ergebnis von staatsterroristischen Maßnahmen zustande gekommen war. Sie verurteilten das meuternde Militär und lobten den Henker und sie schwiegen zu dem Schlachten gegen alle, die nicht auf Linie sind seitdem. Selbst der der Aristokratie entstammende Stauffenberg, der niemals Demokrat war, der aber bestimmte zivilisatorische Werte vertrat, hätte ein solches Schauspiel nicht ertragen. Insofern huldigt ihm heute nicht. Schämt euch, für eure eigene Armseligkeit!