Die Prediger des Juvenilen schlechthin haben eine schnelle Erklärung für die mal zynische, mal depressive, mal defätistische und mal suizidale Stimmung, die aus vielen Kommentaren zum Zeitgeschehen spricht. Sie werden es mit der demographischen Kurve erklären und sagen, die vielen Alten, die jetzt die besten Plätze wegnehmen, die sind dafür verantwortlich, dass die Szenarien in puncto Zukunft eher düster ausfallen. Denn wer das Ende vor Augen hat, der bekommt den Zug des Bitteren. Das ist zwar ein plausibles Argument, aber so ganz zu stimmen scheint es nicht, zumindest exklusiv nicht, weil die jungen Generationen nicht gerade den Eindruck vermitteln, als wollten sie den Himmel stürmen. Zukunftseuphorie sieht anders aus.
Andere wiederum, die sich nicht auf den demographischen Hokuspokus verlassen, argumentieren mit der Dekadenz. Manche bewegen sich sogar selbst am Rand des Zynismus, wenn sie darauf verweisen, dass es nach 70 Jahren ohne Krieg und allgemeinem Wohlstand völlig normal sei, dass der Trieb zur Optimierung einschlafe und nur der schläfrige Konsum als allgemeiner Zustand verstanden werden könne. Da fällt es schon schwerer, sich dieser Logik zu erwehren, auch wenn genug Menschen unterhalb des saturierten Spektrums ihr Dasein fristen müssen, aber eine Bewegung Richtung Revolte und Neugestaltung ist auch dort nicht zu spüren.
Das sprichwörtliche Dilemma in deutschen Landen ist die Attitüde des Ihr da oben und Wir da unten. Die da, das sind immer die, die für alles verantwortlich sind und wir, das sind die armen Mäuse, mit denen die fetten Katzen nach Lust und Laune spielen. Wer so argumentiert, der ist immer sehr schnell fein heraus und kann sich das Schauspiel des politischen Prozesses vom Sofa aus mit Bier und Frikadelle zu Gemüte führen und bei Bedarf mit dem Daumen nach unten zeigen.
Wenn schon über die Zukunft geredet werden soll, was nicht nur dringend erforderlich, sondern gar lebenswichtig ist, dann muss, neben aller Kritik an dem großen Rahmen, auch diese Haltung vernichtet werden, die im Keim die Wollust auf das Tyrannentum in sich trägt. Wer eh immer verliert, dem kann es auch richtig besorgt werden und trotzdem behält er am Ende immer Recht, weil er es ja von vorneherein immer gewusst hat. Das ist die Krönung des Defätismus und steht ganz in der Aura eines Romans von Heinrich Mann, der die Seele dieser Nation wie kaum ein anderes Buch getroffen hat: Der Untertan.
Tief im Inneren scheint so etwas wie die reine Form der Misanthropie zu schlummern, eine Form des Menschenhasses, der aus der Verachtung seiner Schwäche resultiert und daraus den falschen Schluss zieht. Denn die Schwäche ist die Voraussetzung des Prozesses der Stärkung, des Lernens und letztendlich des Meisterns. Wer das Leben liebt, der kann nicht im Zustand dieser Misanthropie verharren, sondern der muss sich selbst ändern, um zu einer positiven Einstellung im Leben insgesamt zu finden. Nur wer die positiven Möglichkeiten sieht, ist in der Lage, eine Strategie zu entwickeln, mit der das Leben geändert werden kann. Und das beginnt mit Artikulation und Einmischung.
Auch wenn es schwer fällt zu glauben: Im Reich der Hoffnung geht die Sonne nicht unter. Der Ausweg aus der tiefen Depression der eigenen Unzulänglichkeit beginnt in der Regel mit dem Humor und er endet in der Vision von einer besseren Welt.
