Die Augen verschließen vor dem Elend dieser Welt? Vielen scheint das der einzige Ausweg. Es ist einfach zu viel. Gestern fand in Berlin eine Demonstration gegen den Krieg statt. Gezählt wurden momentan 21 Kriege und 216 bewaffnete militärische Auseinandersetzungen. Wen das nicht beunruhigt, dem scheint das Schicksal der Spezies nicht besonders am Herzen zu liegen. Angesichts der tägliche Bedrohung von Millionen Menschen durch Hunger und angesichts der immer sichtbarerer werdenden Schäden durch Naturzerstörung, scheint der Militarismus, so wie er weltweit als wachsendes Phänomen zu beobachten ist, wie ein sicheres Konzept der kollektiven Selbsttötung. Wenn das so weitergeht, versinken alle Optionen auf eine Zukunft im endgültigen Abendrot.
Die Menschen in den unterschiedlichen Zonen dieser Welt haben unterschiedliche Perspektiven, aus denen sie das Weltgeschehen betrachten. Die einen sehen in Wachstum und Technologie die großen Chancen, die anderen fühlen selbige als Risiken und Gefahren. Wir sollten uns klar machen, dass der Lauf der Welt von unterschiedlichen Völkern und Kulturen bestimmt wird. Sie selbst werden unter anderem gesteuert von einem Biologismus. Die Jungen streben nach oben, d.h. sie drängen in eine Zukunft, die besser sein soll als das Jetzt, von der sie zwar nicht wissen, wie sie aussieht, die ihnen allerdings auf jeden Fall heller vorkommt als das Jetzt. Und die anderen, alternden Völker und Kulturen, wollen das Jetzt, das sie als Wohlstand und hohe Zivilisation definieren, so erhalten, wie es ist und betrachten eine wie auch immer geartete Zukunft als Risiko.
Dass ein derartiger Zustand nicht ohne Brüche vonstatten gehen kann, versteht sich von selbst. Und dass diese unterschiedlichen Perspektiven und Denkwelten sich polarisiert gegenüberstehen, ist ebensowenig verwunderlich. Die Schuld an einem miserablen Jetzt wie an der Bedrohung eines saturierten Jetzt schiebt man sich gegenseitig zu. Und schon, in eher archaischer Manier, werden die Säbel gezückt, die Panzer aus den Garagen geholt und die Kriegsschiffe umfahren alle Zonen dieser Welt.
Da fragen sich viele Menschen, unabhängig davon, in welchem Lager sie ihr Dasein fristen oder genießen, was denn nun noch in ihrer Macht steht, um dem sicheren Untergang durch Mord und Krieg zu entgehen. Und ihre Reaktion ist unterschiedlich wie analog. Während sich manche darauf einigen, dass es besser ist, die eigene Position mit Macht zu behaupten, suchen andere zu fliehen. In die Verweigerung der Kenntnisnahme, in einen wie auch immer gearteten Defätismus. Oder in eine wurstige Nonchalance. Das Fatale an allen Reaktionen ist die Tatsache, dass keine Option zu einer Lösung führt. Weder Aggression noch Flucht können darüber hinwegtäuschen, dass sich derzeit Statik und Dynamik unversöhnlich gegenüberstehen.
Und wer, zumindest in den Zentren der alten Welt, in der es so vieles zu verlieren gilt und in der bereits so viel verloren ist, hat noch die Verve, sich zu Überlegungen und Vorschlägen durchzudringen, die einen konstruktiven Charakter hätten? Ja, vereinzelte Stimmen sind zu hören, die für Verzicht wie Dialog plädieren, die vor der Kreuzzugmentalität warnen. Aber sie klingen wie ein Hilfeschrei aus dem Kellergewölbe. Und während sie in ihren eigenen Gefilden als Parias durch die omnipräsente mediale Hölle schleichen, blasen in den dynamischen Welten alle Hörner zum Angriff. Der kommen wird, wenn sich im Lager des verwaltenden Besitzstandes nichts tut. Es ist tragisch und es ist archaisch.
