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Sibirisches Gas, Antony Blinken und Immanuel Kant

Das, was jede halbwegs nach den Prinzipien der Rationalität arbeitende Organisation tut, haben die jeweiligen Regierungen der Vereinigten Staaten getan: sie haben gemäß der strategischen Ziele, die sie formuliert hatten, ein Personalportfolio zusammengestellt, das der programmatischen Ausrichtung entspricht. Sieht man sich zentrale Personalien angesichts der geostrategischen Ausrichtung gegenüber Russland genauer an, dann wird in der Retrospektive sehr schnall klar, wie die Ziele ausgesehen haben. Da ist nichts plötzlich passiert. Da wurde alles von langer Hand geplant. Sehen wir uns zwei Personalien im Kontext dieser These genauer an:

„Victoria Jane Nuland (* 1. Juli 1961 in New York City) ist eine US-amerikanische Diplomatin. Sie war von 2013 bis 2017 Assistant Secretary of State im US-Außenministerium und ab Mai 2021 Staatssekretärin für politische Angelegenheiten“ (Wikipedia). Vielen ist die Person noch mit ihrem berühmten Ausspruch „Fuck the EU“ in Erinnerung, als auf Bestreben der EU, vor allen Dingen Deutschlands, nach dem Regime Change in der Ukraine den ehemaligen Boxer und späteren Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, Präsident werden sollte. Die USA favorisierten den Oligarchen Poroschenko und setzten sich damit auch durch. Familiär ist die Personalie Nuland auch deshalb interessant, weil ihre Familie aus dem ehemaligen Bessarabien und dem heutigen Moldawien stammt und ihr Mann, Robert Kagan, der als neokonservativer Republikaner startete und dadurch bekannt wurde, dass er unter anderem die permanente Kriegsführung der USA als eine Notwendigkeit nicht nachlassender militärischer Dominanz bezeichnete. 

„Antony John „Tony“ Blinken ist ein US-amerikanischer Politiker. Seit dem 26. Januar 2021 ist er Außenminister der Vereinigten Staaten im Kabinett Biden“ (Wikipedia). Blinkens Urgroßeltern stammten aus dem heute ukrainischen Kiew und sein Vater war Finanzinvestor, der unter anderem mit der Hamburger Warburg Bank liiert war. Besonders interessant bei Blinken ist das Thema seiner 1984 geschriebenen Dissertation, die 1987 unter dem Titel 

„ Ally Versus Ally: America, Europe, and the Siberian Pipeline Crisis“ erschien und ihm die Türen zu einer politischen Karriere in der amerikanischen Administration öffnete. In dieser Arbeit weist Blinken auf den den us-amerikanischen Interessen direkt entgegen stehenden Bezug russischen Gases nach Europa, besonders nach Deutschland, hin. Dass dann, zu einer Zeit, als es Blinken unter dem Präsidenten Biden ins State Department geschafft hatte, eine dieser zentralen Pipelines  in der Ostsee von einer vermeintlich mit Hobbyschnorcheln und Schwimmflossen ausgerüsteten Jollenbesatzung gesprengt wurde, gehört zu den nicht mehr aus der Geschichtsschreibung zu verbannenden Treppenwitzen. Letzterer wird an Frivolität nur noch durch das kollektive Verschweigen der Betroffenen übertroffen.

Angesichts des zielgerichteten Personaleinsatzes seitens der USA liegt die Frage auf der Hand, mit welchem Personal die Geschädigten europäischen Länder ausgestattet sind, die trotz gravierender Evidenzen bereit sind, pfeifend in den Himmel zu blicken und die alten Narrative von einer immerwährenden Freundschaft zu singen, obwohl die Bevormundung und die Knechtschaft angesichts vieler Ereignisse seit dem denkwürdigen Datum 1990 überdeutlich geworden sind. Spätestens seit diesem Jahr wandelte sich der Befreier zum Bezwinger, der mal offen, mal verdeckt Regie führt und die Marionetten nach Belieben in die Kulissen schiebt oder sie, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, über den Zaun wirft. 

Was schrieb Immanuel Kant, dessen 300. Geburtstag von allen gefeiert wird, die weder etwas mit dem Frieden noch mit dem Mut zu tun haben, den eigenen Verstand zu gebrauchen?

„Die Sinne betrügen nicht. Nicht, weil sie immer richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen; weshalb der Irrtum immer nur dem Verstande zur Last fällt.“

Wie geht es Ihnen damit, angesichts der Lage, in der wir uns befinden? Was sagen Ihnen Ihre Sinne? Hören Sie in sich hinein!

Der saubere Joe Biden und der amerikanische Leuchtturm

Es kommt immer darauf an, was einem wichtig erscheint. So ist es logisch, dass die hiesige Berichterstattung über die Politik in den USA in großen Teilen auf den Prozess gegen Donald Trump wegen versuchter Wahlfälschung einen großen Raum einnimmt. Selbstverständlich es das berichtenswert, denn ein US-Präsident im Amt, der versucht, die Instanz demokratischer Legitimation per se mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen – das muss Gegenstand der Vermittlung sein. Wenn allerdings zur gleichen Zeit ebenfalls in den USA bereits Untersuchungsausschüsse existieren, die sich mit den Aktivitäten des heutigen Präsidenten im Amt während seiner Zeit als Vize-Präsident befassen, dann sollte das die eine oder andere Note wert sein. Ist es aber nicht. Grund, und das ist keine Überraschung, ist die Zugehörigkeit vieler in der Bundesrepublik aktiver Journalisten zu von amerikanischen Demokraten (im Sinne der Parteizugehörigkeit) ins Leben gerufenen Think Tanks sind, die zum Ziel haben, die Weltsicht dieser Partei publik zu machen und als die einzig richtige darzustellen. Wenn man so wollte, könnte man die hiesigen Nachrichten als ein Pressebulletin der us-amerikanischen Demokraten bezeichnen.

Es ist schon sehr erstaunlich, dass das Bild des vormaligen Präsidenten Donald Trump als eine einzige Skandalgeschichte gezeichnet und sein Wahlsieg 2016 als das Machwerk russischer Bots erklärt wurde, während die politischen Aktivitäten Joe Bidens durchweg als die eines seriösen Herren erscheinen. Dabei ist die Weste dieses alten Herrn sehr befleckt. 

Gleich nach dem Wahlsieg Obamas im Jahr 2008 wurde dessen Vize-Präsident Joe Biden exklusiv mit dem Projekt Ukraine beauftragt. Dabei scharte dieser Politiker und Politiker um sich, die aufgrund ihrer Herkunft und Familiengeschichte als in der anti-russischen Tradition stehend bezeichnet werden müssen. Antony Blinkens (heutiger Außenminister) Vorfahren stammen aus Kiew/Ukraine und Victoria Nulands (Staatssekretärin) Familie kommt aus dem heutigen Moldawien. Biden selbst hat das Junktim der EU mit der NATO administriert, die Kräfte unterstützt, die den gewählten Präsidenten Janukowitsch absetzen wollten und war maßgeblich an der Aufrüstung der Ukraine nach dem politischen Umsturz beteiligt.

Dass bei solchen Aktivitäten auch Geschäfte gemacht werden können, war einer interessierten Öffentlichkeit bereits früh deutlich geworden, als der durch Drogenskandale bekannte Sohn Joe Bidens, Hunter, einen Aufsichtsratsposten in einem ukrainischen Ölkonzerns erhielt, der ihm ohne Kenntnisse des Geschäftsfeldes monatlich 50.000 US$ garantierte. Und als ein ukrainischer Staatsanwalt im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen auch gegen Hunter Biden ermittelte, erschien Joe Biden auf der Bildfläche und sorgte dafür, dass der Staatsanwalt aus dem Verkehr gezogen wurde. Er war auf diese Intervention so stolz, dass er vor laufenden Kameras auch noch Witze darüber machte. Und nun ermittelt ein Ausschuss wegen dubioser Geschäfte, die Biden dort selbst gemacht haben soll.

Nichts ist schöner als ein heiles Weltbild. Dass Joe Biden dem nicht entspricht, sollten die moralinsauren Apostel des Journalismus, die die öffentliche Meinung täglich mit ihren Dummheiten kontaminieren, spätestens dann registriert haben, als dieser vor laufenden Kameras das Ende von Nord Stream II im Beisein eines deutschen Kanzlers vorhersagte. Es war nicht die einzige Situation, in der sich der gegenwärtige US-Präsident wie ein gewöhnlicher Pistolero gebärdete. 

Es wäre an der Zeit zu konstatieren, dass Joe Biden in vielerlei Hinsicht ein schillerndes Bild auf die USA wirft. Müsste man sich nicht fragen, wie es um dieses Land bestellt ist, in der zwei Greise mit zweifelhaftem Leumund um die Präsidentschaft buhlen und das ganze Spektrum der Kandidaten ein Bild liefert, das jede Hoffnung fahren lässt? Ist das der Leuchtturm, an dem man sich orientieren soll?  

Die Atlantikbrücke und Full Spectrum Dominance

Manchmal sprechen Bilder Bände. Als davon die Rede war, dass US-Präsident Biden darüber räsoniert hätte, bei einem geringfügigen Eingriff des russischen Militärs in der Ukraine müsse nicht gleich ein Krieg ausbrechen, verbreitete sich große Unruhe. In den Nachrichten wurden Bilder von einem Treffen der Atlantikbrücke gezeigt, bei dem der amerikanische Außenminister Antony Blinken erwartet wurde. Es herrschte große Aufregung, der selbst ernannte CDU-Russlandexperte Norbert R. wetterte in die Kamera, die Anmerkung des US-Präsidenten sei nicht hilfreich gewesen, es gelte Konsequenz und Stärke zu zeigen und der deutsche Vorsitzende der Atlantikbrücke, ehemaliger Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, hoffte auf sofortige Aufklärung durch den amerikanischen Gast. Während die Fahnen durch eine Ordonanz gerichtet wurden, liefen alle herum wie die aufgescheuchten Hühner und gaben damit ihre Verunsicherung zum Ausdruck, so, als wäre es eine Katastrophe, wenn ein Krieg verhindert würde. Es drängte sich der Verdacht auf, dass da ein Konsortium versammelt war, das nahezu versessen auf eine militärische Auseinandersetzung mit Russland war, koste es, was es wolle. 

Die Atlantikbrücke, ihrerseits zu einer angeblich seriösen Quelle in der deutschen Nachrichtenwelt avanciert und immer wieder zitiert, wenn es um die Beschleunigung der Konfrontation geht, steht mit ihrer Ausrichtung nicht allein da. Aber sie ist das wohl markanteste Zeugnis für eine Haltung, die kongruent ist mit dem us-amerikanischen Establishment, das in den beiden großen Parteien dort vorherrscht und den Anspruch auf die alleinige Weltherrschaft durch das US-Imperium aufrecht erhält und dafür bereit ist, dieses auch mit kriegerischen Mitteln zu erreichen. Unter dem Stichwort Full Spectrum Dominance sollen die Truppen aufgestellt und die Strategie im eigenen Lager verbreitet werden. Zu diesem Tableau gehört die Atlantikbrücke. 

Ob diese Strategie eine empfehlenswerte für Zentraleuropa darstellt, darf bezweifelt werden. Denn  ein Krieg gegen Russland empfiehlt sich aus amerikanischer Sicht deshalb, weil er sich aus dieser Sicht lokal begrenzen lässt, in Europa ausgetragen werden soll, somit Russland und die europäischen Staaten schwächt und sie als mögliche Konkurrenz der USA schwächt und ihnen gleichzeitig den Rücken freimacht, um sich auf eine Auseinandersetzung mit China fokussieren zu können. 

Das, was von den genannten Protagonisten mit Vehemenz für Europa und Deutschland propagiert wird, entspricht somit den Interessen der us-amerikanischen Imperial-Fraktion. Man sollte sich bei den immer wieder genannten Argumenten, dass es sich dabei um eine Wertegemeinschaft handelt, vergegenwärtigen, dass die Substanz dieser Aussage durch die permanente Anwendung doppelter Standards vollkommen kontaminiert ist. Wer für die Freiheit eines Nawalnys eintritt, während ein Julian Assange in einem eigenen Hochsicherheitstrakt vermodert, wer die Verurteilung syrischer Verhörmethoden feiert, während die Folterkammer Guantanamo in voller Blüte steht, sollte nicht erwarten, dass die Glaubwürdigkeit die Zeiten überdauert. 

Es geht um Interessen. Das war immer so und das wird so bleiben. Und die Interessen, für die Organisationen wie die Atlantikbrücke eintreten, sind auf die einer bestimmten Fraktion in den USA zugeschnitten und nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen Europa gerichtet. Wer sich das vergegenwärtigt, kommt der Funktion derartiger Organisationen auf die Schliche. Und es existiert der Eindruck, dass sich diese Erkenntnis immer mehr durchsetzt, mit Ausnahme des Ortes, wo über die Richtung der hiesigen Außenpolitik entschieden wird, weder in Brüssel noch in Berlin. Die einzige Ausnahme bildet Paris. Eine europäische Friedensordnung, die tatsächlich Bestand hat, muss sich an den eigenen Interessen orientieren. Das Hoffen auf den wohlwollenden Onkel jenseits des Atlantiks ist eine Schnapsidee.