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Der Trug des anthropozentrischen Denkens

Seit der bewussten Existenz des homo sapiens, d.h. seitdem ein kollektives Gedächtnis, sprich eine Geschichte der menschlichen Gattung vorliegt, sind immer wieder Zweifel aufgekommen, ob der Mensch die Endbestimmung aller Entwicklung ist. Und mit allen Zweifeln wurde immer wieder festgeschrieben, dass die Sterblichkeit des Individuums den Traum vergellte, das Telos der Weltgeschichte zu sein. Nein, so hieß es immer wieder, wir wissen ja, dass wir endlich sind und wir wissen, je mehr uns über die kosmische Dimension bekannt wird, dass wir ein kleines Kristall einer großen Entwicklung sind, in der wir episodisch existieren. Das wussten die Philosophen der Antike genauso wie die der Moderne, die von einer Dialektik der Natur sprachen.

Dennoch haben jeweils diejenigen, die in den verschiedenen Epochen zur Macht gellangten und ihrerseits wiederum in der Macht die Endbestimmung ihres Daseins sahen, geglaubt, sie könnten sich unsterblich machen, indem sie die Macht selbst ständig vergrößerten und ihre Symbolik in das große Areal der Götter stellten, die für den großen, unerfüllten Traum von unendlicher Macht und Unsterblichkeit herhalten mussten. Aber selbst die größten Titanen sahen irgendwann ihre Stunde kommen, sie wurden gemeuchelt oder sie fielen durch eigenen Irrtum, sie traten zuweilen ein in das Reich des Todes und hatten nicht einmal die Münzen für den Fährmann mitbekommen, weil der Wahn des Übergroßen sie lächerlich gemacht hatte. Zuweilen hieß es sogar: „Töte ihn nicht, aber lasse ihn leiden.“

Und immer wieder rieben sich die Menschen die Augen und schluckten schwer, weil sie es doch wussten, wie trügerisch es war, sich selbst über die Existenz des kleinen Kristalls zu erheben und sich in kosmischen Dimensionen als Hauptakteure zu sehen. Für einen Augenaufschlag der Geschichte glänzten diese kleinen Kristalle der menschlichen Existenz durch Demut und der große Weltgeist konnte für einen kurzen Moment glauben, dass das Weltgefüge wieder die Balance erhielte, die ihm gebührte. Aber kaum wendete der große Demiurg sich ab, um wichtigeren Geschäften nachzugehen, da fingen die unbelehrbaren Menschen wieder an zu bauen, als wollten sie ewig leben und zu essen, als müssten sie morgen sterben. Das zürnte den Weltgeist und verdarb den Menschen ihr eigenes Dasein, weil sie alles zerstörten, was sie eigentlich brauchten, um halbwegs vernünftig auch in der Zukunft zu leben. Aber es half alles nichts, dort, wo es Reichtum und Macht, und vor allem nicht die Sorge gab, wie man das Morgen überlebt, dort brach die Seuche immer wieder aus.

Die Natur, so schrieb Nietzsche, wird irgendwann die Menschheit von sich abschütteln wie ein Ochse eine lästige Fliege. Wie in vielem wird dieser tragische Mann auch in diesem Recht behalten. Die Spannung zwischen den großen Machtzentralen dieser Erde und dem unendlichen Kosmos einerseits und den Wünschen nach Größe und der eigenen Fehlbarkeit andererseits lässt uns trunken werden. Die Bilder verschwimmen, solange wir uns an dem Gift benebeln, wir wären einzigartig und unersetzbar. Aber der Blick schärft sich, wenn der Moment als das Universum der eigenen Verantwortung in die tiefen Sphären des Bewusstseins dringt!