Mit den Anfängen ist das so eine Sache. Wer sich in Dialektik auskennt, bezweifelt, dass es einen sauberen Anfang und ein finales Ende gibt. Und die Zitate, so geistreich wie treffend sie für den Moment sind, machen nicht deutlich, wie komplex und widersprüchlich das ist, was wir den Anfang oder das Ende nennen. Ja, wer mit einem positiven Gefühl und dem Willen, zu gestalten, Neuland betritt, für den mag diesem Anfang ein gewisser Zauber innewohnen. Bis er, bleiben wir bei der Wahrheit, feststellen muss, wieviel alten Ballast er tragen muss, bis er Kräfte mobilisieren kann, um das Neue ins Auge zu fassen. Und man denke an das fade Gefühl, wenn alle Akteure an Bord bleiben und einer die Formulierung wagt, „Lasst uns nochmal ganz neu anfangen!“ Das geht meistens schief, weil zu viel Bekanntes mitgeschleppt werden soll. Angefangen beim Personal, bis hin zu den Strukturen. Der Zauber, den Hesse übrigens meinte, liegt dagegen im Unbekannten und Ungewissen.
Dennoch handelt es sich hier nicht um ein Plädoyer gegen den Anfang. Ohne Anfang, ohne Neuland, ohne Unbekanntes, ist das Leben nicht nur fad, sondern auch schnell zu Ende. Muss nichts Neues mehr verarbeitet werden, vergeht die Zeit wie im Flug und das Ende, und zwar das finale, ist nah.
Doch woher die Energie für den Anfang nehmen? Sie ruht in der Vision von einer Veränderung zum Besseren. Wer sich nicht vorstellen kann, dass etwas Besseres auf die eigene Existenz noch warten könnte, sollte die Finger von jeder Art der Veränderung lassen. Sie würde im Chaos und im Elend enden. Dann werden die Zustände nicht besser, sondern anders, und meistens schlechter als die, die eine Vision gar nicht erst aufkommen ließen. Zufriedenheit und Bequemlichkeit sind die besten Grundlagen für alle Szenarien, die sich um das Ende drehen. Kein Anfang gleich früher Tod.
Wer jedoch von einer Vision oder einer Utopie beflügelt wird, die nicht im Einklang mit den bestehenden Verhältnissen steht, wird die Kräfte für einen Neuanfang mobilisieren können. Und das unabhängig vom eigenen Lebensalter. Nur wer sich ändert, so heißt ein kluger Satz, der bleibt sich treu. Denn selbst die Konservierung der Stagnation ist nicht möglich. Nur wer die Vision im Auge behält, kann sich zumindest das Lebensgefühl der Jugend bewahren. Wer alles so haben will, wie es ist, der befindet sich selbst in jungen Jahren bereits im Greisenstadium. Gesehen habe ich davon viele. Über sie redet bereits heute niemand mehr. Denn wer nicht gestaltet, ist schnell vergessen. Und wer sich an dem Prozess der Erneuerung aktiv beteiligt, lebt in den Prozessen fort. Nicht als Individuum, sondern als spirituelle Essenz.
Es ist ein Privileg, die Zeichen, die auf Veränderung stehen, erkennen und lesen zu können. In gewissen Kreisen nennt man diese Gabe auch die königliche Kunst. Oder, wie es ein CEO eines Weltkonzerns einmal so treffend zu seinem Direktorium sagte, stehe er nicht vor ihnen, weil er fachlich kompetenter oder charismatischer sei, sondern weil er wisse, was morgen sei. Der Mann hat es erkannt. Und darin besteht das Geheimnis. Wenn du weißt, was kommt, dann kannst du verändern. Und die Angst, die bei vielen Bewahrern eine so eine furchtbare Wirkung ausübt, verliert ihre Geltung.


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