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Die neue Gouvernante

Die Phrasen, die unseren politischen Alltag begleiten, sind ein perfektes Indiz für die Geisteshaltung, die in den Köpfen dominiert. Wir betrachten mit Sorge, so der oft einleitende Satz, wenn es um Geschehnisse in anderen Ländern oder anderen Teilen der Welt geht. Wir verurteilen natürlich auch aufs schärfste, wenn etwas weiter geht als nur Anlass zu Sorge gibt, oder, und das gehört sich für ein Weltbild mit doppelten Standards, im eigenen Lager erregt etwas Sorge, das in einem anderen Lager zu scharfer Verurteilung führt. Und dann kommt noch die Steigerung, generell versteht sich, dass so etwas nicht ohne Folgen bleiben darf. In summa lässt sich feststellen, dass die Welt mit Deutschland eine neue Gouvernante bekommen hat, eine Gouvernante, die tadelt und lobt und drohend den Finger hebt. 

In der eigenen Echokammer, in der sich dieses Land bewegt, fällt der tadelnde, mäkelnde und immer wieder anmaßende Gestus gegenüber Dritten nicht weiter auf. Neben den Akteuren, die zu allem Unheil noch die internationale Bühne suchen, um die flachen, aber dennoch als Belehrung gedachten Statements abzusondern, orchestrieren die öffentlich-rechtlichen Medien den Vormarsch des neuen Geistes der Welterziehung mit ebenso fanatischem wie frenetischem Beifall. Zumindest die Generationen, die sich noch in dieser medialen Welt bewegen, können den Eindruck gewinnen, die Welt habe auf das Auftreten des neuen Deutschlands in der Besserungsanstalt geradezu gewartet. Der Konsens lautet: Nirgendwo werden die Probleme so exzellent gelöst wie bei uns und wir müssen den anderen zeigen, wie es geht.

Damit nicht der falsche Eindruck entsteht, es handele sich dabei um ein Phänomen der Alten, sei auf die Fridays for Future-Bewegung verwiesen, obwohl der Begriff Bewegung vielleicht zu hoch gegriffen ist. Da kristallisiert sich noch eine Steigerung des Gouvernantenhaften heraus, vor dem die Älteren des Metiers nur den Hut ziehen können. Da wissen die juvenilen Apostel aus mittelständischer und großbürgerlicher Provenienz gleich, wie man sich in jeder Alltagssituation zu verhalten hat und darüber hinaus haben sie gleich kollektive Sündeböcke parat, die am Tag des Jüngsten Gerichts zur Rechenschaft gezogen werden. 

Was bei den Älteren noch den Zug der geschichtsvergessenen Klugscheißerei trägt, hat bei den Jüngeren bereits den Zug des Sektenhaften. Psychisch sind es dort nur noch kleine Schritte Richtung IS und Taliban, es sei denn, da kommen plötzlich Offerten aus dem etablierten System und die eine oder andere Figur landet in einem Konzernvorstand oder im Bundestag zu Berlin. Own Lives matter! 

Noch einmal rückblickend auf die Tage, als vor dreißig Jahren, nach dem Desaster, das unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands im XX. Jahrhundert stattgefunden hatte, die Skepsis vieler Länder groß war, einer Wiedervereinigung zuzustimmen, so war sie, aus heutiger Sicht berechtigt. Das alte Verhalten des imperialen Anspruchs ist wieder in voller Blüte. Der Satz, der als ein unsägliches Fundstück in den Annalen Deutschlands auch dort bleiben sollte, dass nämlich am deutschen Wesen die Welt genesen soll, kann als das Leitmotiv der heutigen internationalen Politik identifiziert werden. Es stellt sich die Frage, wann aus der ewig mäkelnden Gouvernante der brachial agierende Zuchtmeister wird. Vieles spricht dafür, auch wenn man nicht glauben mag, dass diese zum Teil lächerlichen Figuren zu so etwas fähig sein sollten. 

Wäre da nicht der Rest der Welt, der diese Farce zunehmend mit Kopfschütteln quittiert und sich die Frage stellt, was denn da so brummt, im deutschen Kopfe.