Mit welcher Agenda Menschen in die existenziellen Phasen ihres Daseins gehen, hängt in starkem Maße von ihrer vorherigen Prägung ab. Da kann es passieren, dass gut erzogene, ausgebildete Individuen dennoch scheitern, weil der Kodex ihrer Prägung dennoch nicht mehr dem entspricht, was die Zeit von ihnen erfordert. Beispiele davon hat jeder von uns. Und zwar tausende. Denn wir leben in Zeiten, die sich rasch verändern und es geschehen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben. Den meisten Menschen fällt es schwer, durch diese wirren Zeiten mit einem Kompass zu fahren, der ihnen Sicherheit gibt. Denn vieles von dem, was sie erlernten, hat keinen Wert mehr und manches von dem, mit dem sie konfrontiert werden, ergibt beim besten Willen keinen Sinn.
Wer geprägt ist von dem Anspruch, selbst etwas gestalten zu wollen, ist in einer Welt, in der vieles als das erscheint, was als die normative Kraft des Faktischen gilt, nicht besonders willkommen. Denn in dieser Welt, in der die Fakten des Lebens sehr oft als gesetzt gelten, ist nicht Gestaltung, sondern Anpassung gefragt. Das Allerhöchste, was man in dieser Konstellation noch erwarten kann, ist die Gestaltung der Anpassung. Deshalb ist es nicht übertrieben zu sagen, dass wir in Zeiten des Darwinismus leben. Und zwar in doppeltem Sinne. Zum einen geht es um existenzielle Anpassung, zum anderen um das, was historisch als Sozialdarwinismus genannt wurde. Nicht nur, um bei Darwin selbst zu bleiben, um das Überleben der Anpassungsfähigsten, sondern auch um das Überleben derer, die die besten Mittel und Voraussetzungen haben, um das zu tun.
Die Digitalisierung wie der Marktliberalismus haben eine Phase der Beschleunigung hervorgerufen, in der es ums Überleben geht. Wer sich nicht anpassen will, hat bereits verloren. Und wer sich nicht anpassen kann, ebenfalls. Die Frage, die sich stellt, ist die, in welchen Prozessen überhaupt noch das geschehen kann, was allgemein die Bezeichnung der Gestaltung verdient. Orientierungslos sind viele geworden, und irregeleitet leider auch. Denn nichts hilft in einer solchen Situation so wenig, wie das Festhalten an alten Vorstellungen, die dazu verhelfen sollen, das Fortschreiten der Existenz aufzuhalten und zurück in alte Zeiten zu holen. Allen, die sich dieser Phantasie verschreiben, sei eines mit auf den Weg gegeben: das Weitreichendste, was sie dabei erschaffen können, ist die Zerstörung dessen, was selbst von der rasenden Veränderung bedroht ist, nämlich die letzten Residuen des Gemeinwesens. Denn die Verwerfung ist kein Boden, auf dem Neues entstehen kann.
Es ist immer ratsam, sich auf die Felder der Philosophie zu begeben, um in Situationen, in denen vieles nicht mehr zusammenpasst, Orientierung zu gewinnen. Ein Begriffspaar, in dem es immer um die Existenz geht, ist das von Zeit und Raum. Genau betrachtet dreht sich unser gesamtes Dasein um dieses Paar. Und die Frage, die sich daraus ganz praktisch ableiten lässt, ist die, ob für Herausforderungen, für die wir uns entscheiden wollen, der Raum da ist, um etwas zu bewegen und die Zeit verfügbar ist, um dieses vernünftig zu tun. Das alleine ist eine hervorragende Orientierung. Denn wenn weder Raum noch Zeit vorliegen, dann ist jede investierte Energie eine verlorene. Ist beides vorhanden, dann wäre es eine Unterlassung, sich nicht mir dieser Frage der Existenz aktiv zu befassen.
