Ostenmauer – 55. Lands End

Lands End. Für mich war dieser Begriff immer eine Art Befreiung. Vielleicht liegt es auch etwas am Namen. Mers ist verwandt mit Mersch, letzteres steht wiederum für Marschlandschaft in Küstennähe. Ich erinnere mich, wie ich als Kind, im Sommer, am See, heimlich meinen Vater beobachtete, wenn er am Ufer saß und vergessen auf das Wasser schaute. Dann wirkte er wie in einer anderen Welt. Ein Freund aus dieser Zeit, der später nach Kanada ausgewandert ist, schrieb mir, nachdem wir uns nach Jahrzehnten im Netz wiedergefunden hatten, dass er sich noch gut erinnere, wie mein Vater, der bei dieser Korrespondenz bereits sehr lange tot war, in einer Seelenruhe durch den See geschwommen sei, so, als sei er eins mit ihm, abgemeldet von der Welt. Meine Liebe zum Wasser ist groß. Mein Traum war es immer, am Meer zu leben, was mir immer nur für bestimmte, begrenzte Zeiträume gelang. In New York, in Bilbao, in Jakarta. Die Stadt, an der ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe, liegt am Zusammenfluss zweier Flüsse. Atlantik, Java Sea, Neckar und Rhein. Ein Leben ganz ohne Wasser kam für mich nie in Frage. Aber das Höchste, wohin ich immer gerne geflüchtet bin, wenn alles zu dicht, zu dumm, zu überhitzt und zu ausweglos erschien, das war Lands End. Da, wo kein Haus mehr steht, wo der Übergang der Zivilisation zum Meer sichtbar ist, wo das Tosen immer lauter zu vernehmen ist, wo die Unendlichkeit zu beginnen scheint, wo die Mythen, aber keine Menschen zuhause sind. Genau dort ist vielleicht der Anfang. Vor ganz langer Zeit. Dorthin geht die Reise zurück. Lands End ist für mich das, was in die Kindheit scheint und worin ich noch nicht war. Ein Traum, der nie endet.

Lands End

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