Wenn die Angst verschwindet, wird alles ganz leicht. Dann ist kaum noch zu glauben, durch welch fragwürdige Informationen Menschen dazu gebracht werden konnten, den versammelten Unsinn dieser Welt zu ertragen. Und warum sie nicht aufstanden, um dem Bacchanal des Wahnsinns mit einem Donnerschlag das Ende zu bereiten. Stattdessen verharrten sie, betrachteten das Unfassbare und rührten sich nicht. Ein Masseneffekt sorgte dafür, dass der scheue Blick nach links wie nach rechts dazu führte, das Gleiche zu sehen wie im Spiegel: Unglaube, Furcht vor einem bösen Ende und Schockstarre.
Und weil das so ist, arbeiten Armeen daran, diesen Zustand zu einer Dauereinrichtung zu machen. Die Angst ist der Treibstoff für jede Art von mieser Herrschaft. Dass, was man hierzulande den Verängstigten als drohendes Unheil fremder Mächte, die nur auf unsre Schwäche lauern, darzustellen versucht, ist längst eingetreten. Ohne Peitsche, ohne Handschellen, sondern nur durch das Jonglieren mit diffusen Ängsten. Letztere, das wissen wir alle, sind vor allem den Deutschen nicht fremd. Wir hatten, betrachten wir die oralen Geschichten wie die Literatur, schon immer ein Faible für das Blutbad und die glühenden Zangen der Inquisition.
Franz Jung, eine der wohl schillerndsten Gestalten Deutschlands im letzten Jahrhundert, der aus den Annalen nahezu verschwunden ist, hatte sich in einem klugen Aufsatz mit dem Phänomen der Angst beschäftigt und einen wertvollen Tipp gegeben. Der Mann, der als Wirtschaftskorrespondent gearbeitet hat, der revolutionäre Bühnenstücke schrieb, Schiffe entführt und mit Lenin diskutiert hatte, der als Spion der Roten Kapelle unterwegs war, in KZs einsaß und nach dem Krieg in Bologna als Pizzabäcker wieder auftauchte und in San Francisco eine wunderbare Biographie über Jack London geschrieben hatte, hielt uns allen die Lupe unter die Nase.
In seinem Essay „Die Albingenser. Revolte gegen die Lebensangst“ brachte er das heutige Dilemma vor nahezu genau 100 Jahren anhand des historischen Beispiels der Albingenser bereits auf den Punkt: Die dumpfe, suggerierte Lebensangst, die von allen Faktoren gespeist wird, die der Herrschaft und Unterdrückung dienen, ist die Ursache für das Hinnehmen selbst der untragbarsten und absurdesten Verhältnisse. So, wie wir es derzeit erleben. Und die Revolte gegen die Lebensangst ist der erste Schritt, um sich auch den absurden Formen von Herrschaft zu entledigen.
Und, natürlich mit der Empfehlung, diesen Essay in Verbindung mit seiner „Technik des Glücks“ zu lesen, stellen Sie sich einmal vor, die Angst wäre verflogen und man fände in einem Zustand der Leichtigkeit und Befreiung das vor, was wir als Räson guter Geschäftsführung präsentiert bekommen. Was bliebe?
Beim Selbstversuch war sehr schnell nicht nur die Angst verflogen, sondern auch ihr Zwilling, die maßlose Wut, und die Betrachtung mündete in einen Zustand der Belustigung. Wenn die Furcht, auch vor den Auswirkungen pathologischer Selbstbezogenheit und einem nicht mehr steigerbaren Dilettantismus, gewichen ist, dann kommt einem das Ganze doch vor wie eine schrecklich armselige Klamotte, die aus Sicht eines Großteils des Publikums bald zum Ende kommen muss. Und zum Ende kommen wird.
Insofern sei jede Bestrebung zu empfehlen, die unter der Überschrift als Revolte gegen die Lebensangst zu verbuchen ist. Die Botschaft ist einfach: Wenn die Angst verschwindet, wird alles ganz leicht!

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