In gewissen Kreisen wird, wenn man aufgrund von kaum erklärlichen oder verstörenden Entscheidungen und Taten von Vorständen und Geschäftsführungen irritiert ist, die Formulierung benutzt, da sei man wohl beratungsresistent. Letzteres beinhaltet jedoch die Existenz von tatsächlich vorhandener Expertise, auf die man zurückgreifen kann. Auf dem besonderen Feld der Politik, wo viele Handlungen selten erklärlich und oft verstörend sind, und wo besagte Formulierung oft benutzt wird, kommt man allerdings immer wieder zu dem Schluss, dass genug Expertise vorhanden wäre, die man abrufen könnte, wenn man nur wollte. Wäre das im Falle der gegenwärtigen Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben, dann müsste man generell von einem Failed State sprechen. Obwohl dieses Gebilde auf dem besten Weg ist, ein solcher zu werden, sei zugestanden, dass es immer noch genug kluge Köpfe gäbe, um das Land wieder auf Kurs zu bringen.
Ohne in parteipolitische Polemik verfallen zu müssen, muss man leider konzedieren, dass die neue Bundesregierung sich auf die Beschleunigungsspur Richtung Failed State begeben hat. Und, um es gleich vorweg zu nehmen, sie hat nicht beabsichtigt, sich irgendwelche Expertise ins Haus zu holen, weil ihr Auftrag gerade in einer breit angelegten Zerstörung von Gemeinwesen und internationaler Ordnung liegt. Ganz nach dem Motto: wenn wir nicht global bestimmen dürfen, wohin die Reise geht, dann sprengen wir alles in die Luft.
Unter normalen, zumindest residualen Voraussetzungen staatlicher Vernunft wäre es zum Beispiel ein Ding der Unmöglichkeit, jemanden als Außenminister auch nur zu vereidigen, der quasi als Einlassung auf sein zukünftiges Amt davon spricht, traditionell wie auf lange Sicht die größte Population auf dem Kontinent als den kollektiven Feind anzusehen. Da kann es nur eine Frage geben: Was will der Mann in diesem Amt?
Ein anderer Beleg ist die durchaus positiv zu sehende Absicht einer neuen Ministerin, das Berufsbeamtentum mit Eigenleistung in die Solidargemeinschaft mit aufzunehmen. Wenn ein Rülpser aus den Reihen jener Lobby genügt, dass man schnell wieder davon absieht, Arbeitsverhältnisse aus Kaisers Zeiten, ohne die übrigens zahlreiche andere Demokratien sei jeher auskommen, abzuschaffen, dann braucht man auch kein Staatsministerium für Digitalisierung. Dann findet schlichtweg keine Modernisierung statt.
Und wenn ein in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähiger Kanzler davon zu schwärmen beginnt, die größte militärische Streitmacht auf dem Kontinent schaffen zu wollen und niemand daran erinnert, dass in der internationalen Politik das Streben nach Frieden die größte Rendite abwirft, dann kann man ohne große Bedenken davon sprechen, dass mit der gegenwärtigen Regierung bereits Hopfen und Malz verloren ist.
Da braucht man auch nicht mehr darüber zu räsonieren, ob man es mit Beratungsresistenz zu tun hat. Da sind Modelle am Werk, die aus der historischen Mottenkiste stammen und die im Grunde eine Bilanz bestätigen, die vernichtend ist. Nach dem vermeintlichen Sieg des westlichen Kapitalismus mit seiner parlamentarisch-demokratischen Staatsform im Jahr 1990 setzte ein Kontinuum von Krisen ein, die massive Verschiebungen der Weltordnung zur Folge hatten und denen man nicht mit intelligenten Strategien zu begegnen suchte, sondern – ganz in alter kolonialer Attitüde – mit militantem Streben nach der guten alten Zeit. Und so kann, ohne weitere Überlegungen über die Möglichkeit einer Umsteuerung anzustellen, nur noch Erklärungshilfe bei Shakespeare gesucht werden:
„Wir wissen nicht mal, wer wir sind,
Es kommt, was kommen muss,
Und das geschwind!“

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Wir sollten von den Engländern lernen und im Angesicht des zusammenbrechenden Imperiums mehr Tweed Jackets tragen. Auch wenn man damit wegen Zechprellerei hinausgeworfen wird und unsanft im Strassendreck landet, sieht man immer noch seriös genug aus, um es am selben Abend noch woanders zu versuchen und am nächsten Tag einen Kreditbetrug zu begehen, ohne aufwendige Reinigung.