Ostenmauer – 28. Schillernde Namen

Ich weiß nicht, ob die Zeit das Buch der schillernden Namen zugeschlagen hat, oder ob es lediglich ein regionales Phänomen ist. Zumindest, wenn ich mir die aktuellen Erzählungen über Personen des öffentlichen Lebens wie über die aus dem nahen Umfeld ansehe, dann ist da nichts mehr von der luziden Phantasie zu spüren, die bei der Charakterisierung von Menschen einmal vorherrschte. Vielleicht ist es die woke Ideologie, die jede Form der Attributierung als eine Missachtung der persönlichen Würde ansieht, vielleicht ist es einfach nur der todtraurige Moralismus, der unsere Gesellschaft erobert hat. Ich weiß es nicht und ich übe mich immer wieder darin, Beinamen für Menschen zu ersinnen, die ihren Charakter auf humorige, manchmal sarkastische und ironische Weise benennen.

In der Vergangenheit, und ich nenne es mal in der Stadt und Zeit meines Vaters, da wimmelte es von solch kuriosen Menschen. Da gab es den Boche Frochte, einen Namen, den er sich in Frankreich erworben hatte. Mücken Theo war der Kassierer in einem Verein, Schweine Janz war der Metzger,  ein Wirt hieß der wilde Hecht, ein anderer war der müde Pinsel, eine trinkfeste Dame nannte man Puschkin Oma und den Landmaschinen Bauer Dreschkasten Wilhelm. Dann gab es noch den Klingelbaum Mauke, die Schneehasen Erna und den Schmied, den alle nur Amboss nannten. Meine Großmutter hatte sich den Namen der rote Zar verdient und eine ihrer Töchter, die sich als Klavierlehrerin verdiente, war die Musikerin der englischen Krone. Ein bei jeder Gelegenheit schlagender Lehrer hatte den Beinamen Tschiang Kai-schek und der kommunistischen Betriebsrat auf der Zeche hieß Russen Jupp.

In meiner Generation hörte sich das bereits anders an, aber es gab sie noch, die kreative Deskription. Da wurde man vom Flankengott Abramczik fasziniert, da spielte in der eigenen Mannschaft der Catcher, es gab den Prickle Pit und Cremeschnitten Pitti, Skippy, Pepita und Liebchen, Igor, den Sonnenkönig und Joppa, den Eisenmann. Bohne kam immer zu spät und der Sieger von Zandvoort fuhr eine Kreidler Florett.

In der Politik wurde von einem Kognak Willy gesprochen, es gab den Onkel Herbert, Schmidt Schnauze und den Minister Old Schwurhand, ein anderer wurde die Büroklammer genannt und wieder ein anderer hatte den Beinamen die Pfütze. Dann gab es diesseits des Rheins noch die Birne und jenseits des Rheins den Präsidenten, den alle aufgrund seines Selbstwertgefühls als Le Dieu bezeichneten. Diesen beiden folgte hier schlicht Acker.  

Ja, manches ist diskriminierend, aber alle haben es ausgehalten. Und vielleicht würde es uns eine gewisse Leichtigkeit zurückbringen, wenn wir nicht immer nur die Namen in ihrer Kälte allein und für sich stehen ließen. Wie wäre es mit einem Kanzler Ich-kann-mich-nicht-erinnern, mit einem Finanzminister, der schlicht als Porsche bezeichnet würde, einem Verteidigungsminister Rover, einem Wirtschaftsminister, den alle nur die Wärmepumpe nennten und eine Außenministerin, die als die vorlaute Göre in die Geschichte des kollektiven Bewusstseins einginge? 

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich übe jeden Tag, vor allem in meinem Umfeld. Und einige Beinamen haben sich schon durchgesetzt.  

Schillernde Figuren – Schillernde Namen

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