William Shakespeare trifft Egon Bahr

Die Ereignisse überstürzen sich und sie hinterlassen Verwirrung und Entsetzen. Gemeint ist der Ausgang der Wahlen in den USA und die daraus resultierende Veränderung der amerikanischen Politik. Obwohl die Entwicklung in vielerlei Hinsicht vorhersehbar war, scheint man im europäischen und besonders im deutschen politischen Establishment völlig überrascht zu sein. Am treffendsten war die Äußerung eines hier nicht genannten, aber prominenten Politikers, der die Situation als heikel beschrieb und die Feststellung mit dem Hinweis garnierte, man wisse gar nicht, wo man anfangen solle. Mit diesem Gefühl steht er sicherlich nicht alleine. Ausgangspunkt ist allerdings eine grundlegende Schwäche, die sich sehr gut mit William Shakespeares Satz aus „Was Ihr wollt“ beschreiben lässt:

„Wir wissen nicht mal, wer wir sind,

Was kommen soll, das kommt.

Und zwar geschwind.“

Was so lapidar daherkommt, entspricht jedoch einem wesentlichen Manko in der politischen Selbsteinschätzung. Chronisch auf ein Bündnis zu verweisen, dessen Handeln von einem Hegemonen bestimmt wird, dessen Interessen mit den eigenen nicht kongruent sein können, gehört zu den wesentlichen Ursachen dieses bösen Erwachens. Ich erspare mir die Schilderung der völlig irritierten, entsetzten und wirren Gesichtsausdrücke und Formulierungen unserer Politiker angesichts der Kontaktaufnahme von Trump und Putin und der ersten Statements, die den politischen Rahmen eines Friedens in der Ukraine zeichnen. Genauso wie zu den protektionistischen Ankündigungen der USA hinsichtlich deutscher und europäischer Exporte. Wer alles auf Rot setzt, darf sich nicht wundern, wenn Schwarz kommt. 

Was läge bei einer derartigen Erfahrung näher, als sich seiner selbst zu vergewissern, seiner eigenen Bedürfnisse und Interessen und daraus eine Politik abzuleiten, die, im Austausch mit anderen, Grundlage von Allianzen und Bündnissen sein kann, aber nicht muss? Wer darauf wartet, ist bis jetzt enttäuscht worden. Vielleicht spekuliert man auf ein Gutgehen bis zu den Wahlen? Dass niemand so richtig bemerkt, wie fatal die eigene Rolle in dem großen Spiel der Macht fehlinterpretiert wurde? Vieles spricht dafür. Es kann aber auch sein, dass irgend einer der Bewerber noch kurz vor Öffnung der Wahllokale auf die Idee kommt, dem Wahlvolk als Erkenntnis das zu offenbaren, was dieses längst weiß. Vielleicht, so könnte das Kalkül sein, würde das dann doch noch honoriert. Die einzigen, die bis dato mit dieser Erkenntnis hausieren gehen, machen sich durch den stolz zur Schau gestellten Kotau vor den neuen Machthabern in Washington mehr als unglaubwürdig. Und genau das greift allerdings kaum jemand der Mitbewerber auf. Wie denn auch? Die Verwirrung regiert und die so genannte und selbst ernannte Qualitätspresse tut alles, um sich jeder Form vernünftiger Erkenntnis mit aller Gewalt in den Weg zu stellen.

Und, um auf Shakespeare zurückzukommen, wenn man nicht weiß, wer man ist, dann fällt es natürlich auch schwer, zu erkennen und zu formulieren, was im eigenen Interesse ist. Angesichts der aktuellen Ereignisse drängt sich dann der Satz des Egon Bahr auf:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Und wer seine eigenen Interessen nicht kennt und die harte Form der Außenpolitik, die mit dem Instrumentarium der Diplomatie gestaltet werden sollte, mit feuilletonistisch verblümter Propaganda verwechselt, zieht schlicht den Kürzeren. In jeder Hinsicht. Merken Sie sich das!   

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