US-Wahl: All In!

Der Tag naht. Noch gut eine Woche und in den USA wird gewählt. Dort ist die heiße Phase des Wahlkampfes seit langem eröffnet. Recherchiert man von hier, jenseits des Atlantiks, bekommt man natürlich nicht mit, wie es ab von den Großveranstaltungen und ohne die in den sozialen Medien getriggerten Kampagnen aussieht. Was auffällt, ist, dass Unmengen Geld fließt und nahezu alles, was über Medien erfahrbar ist, das Ergebnis von bezahlten Aufträgen ist. Und, sieht man sich die Veranstaltungen mit Menschen an, dann überkommt einen das ungute Gefühl, dass die bezahlten Jubelstafetten auch hier demnächst zu beobachten sein werden. Auch damit ist es wie mit fast allem: die USA sind die Blaupause für Entwicklungen, die zeitverzögert hier Einzug finden. 

Was das zu erwartende Ergebnis anbetrifft, so spricht sehr viel für einen Sieg von Donald Trump. Wie man hört, ist auch der dritte Attentatsversuch, über den hier kaum noch berichtet wurde, misslungen. Neben der ganzen Brisanz, die das us-amerikanische Duell für die ganze Welt hat, kommt einem vieles vor, wie eine neue Folge von Boardwalk Empire: Immer sind Gangster im Spiel, es geht um Intrigen und Charaktere und es ist sicher, dass es weder Gut noch Böse gibt.

Ein exzellentes Format hingegen ist ein amerikanischer Technologie- und Geschäftspodcast (https://en.wikipedia.org/wiki/All-In), der Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aufs Sofa setzt und durch vier Unternehmer befragen lässt, und der ein wie 1000 Menschen wirkendes Auditorium zulässt und sich sicherlich nicht zufällig „All-In!“ nennt. Man weiß, was auf dem Spiel steht und dass es tatsächlich um die Zukunft des Landes und damit um die Konstellationen in der Welt geht.

Angesichts dieser Brisanz sind die Galionsfiguren bei den Präsidentschaftswahlen eher blaß oder irreführend. Entweder die alte Politik des Weltpolizisten wird mit den bewährten Mitteln fortgesetzt bei einer gewissen Dosis von sozialer Befriedung oder man setzt auf eine wirtschaftliche und mentale Regeneration nach konservativem Muster mit Protektionismus, Zuchtrute und Liberalismus. Das Land, dessen Mittelstand im Abwärtstrend ist, das 40 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze beherbergt und dessen öffentliche Einrichtungen zum Teil anmuten wie ein lange Zeit nicht beachteter Geräteschuppen, das aber auch über gewaltige Möglichkeiten in einer mit den unterschiedlichsten Potenzialen ausgestatteten Population und immensen natürlichen Ressourcen verfügt, hat sich zu entscheiden. Das Kuriose dabei ist, dass die beiden Spitzenkandidaten diesen Eindruck nicht vermitteln. Eines scheint offensichtlich: keiner von beiden ist von dem Format, das erforderlich wäre.

Insofern empfiehlt es sich, die zweite Reihe anzusehen. Von der erfährt man ziemlich genau, um was es eigentlich geht. Und Walz ist programmatisch der Imperialist mit sozialdemokratischem Antlitz, während Vance daherkommt wie ein Major Domus, der eine Hausordnung niederschreiben und das Publikum mit strenger Hand erziehen möchte. Hört man sich die Interviews derer an, die in den USA jeden Tag ihren Job machen und die wissen, was man tun muss, um sein Leben erfolgreich und vernünftig zu gestalten, dann bekommt man mit, dass zumindest diese Leute ziemlich genau wissen, worum es bei dieser Wahl geht.

Und diesen Leuten sollte man genau zuhören. Da ist vieles zu hören, was auch bei uns von essenzieller Relevanz ist. Das ganze Gerede und Getue von abstrakten Werten und die gleichzeitigen Eskalationsübungen haben diese Leute satt. Wie hier auch. Und deshalb rate ich allen, sich genau anzusehen, was in den nächsten Tagen und Wochen in den USA passieren wird. Man wird es lesen können wie ein Orakel, auch für uns!   

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