Ist die Lage brenzlig? Liest man die Gazetten und hört man sich das handelnde Personal an, dann ja. Dann ist die Lage nicht nur brenzlig, sondern brandgefährlich und prekär. Innenpolitisch wie außenpolitisch, sozial wie wirtschaftlich. Und, wenn das der Fall ist, was ist dann angeraten? Die meisten Menschen haben in ihrem Leben gelernt, dass es wichtig ist, die Ursachen einer Krise zu begreifen und sich dann – schleunigst – Gedanken darüber zu machen, wie der beklagenswerte Zustand zu überwinden ist. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um keine Erkenntnis aus den wie auch immer gearteten Geheimwissenschaften.
Was wir erleben, ist jedoch nicht das. Keine Analyse in Bezug auf das eigene Handeln, keine Vorstellung über das Zustandekommen der vielen krisenhaften Erscheinungen, es sei denn, man bietet mit plakativen Feindbildern Ausreden für die eigenen Unterlassungen an. Denn, auch das eine Plattitüde der Geschichte, nichts entsteht ohne uns, und sei es, wir waren passiv. Wie heißt es doch so treffend? Jeder ist verantwortlich für das, was er tut, und jeder ist verantwortlich für das, was er nicht tut. Und, seien wir ehrlich, egal ob der Krieg in der Ukraine, egal ob Wählertrends im eigenen Land und egal ob der grausame Konflikt Israel/Palästina – alles war vorhersehbar und für viele, die immer noch die Verantwortung tragen, war die Option nichts zu tun besser als sich auf den dornigen Weg der Lösungsfindung zu begeben. Wer wirklich alles versucht hat, solle sich bitte melden und wir werden einen Weg finden, um ihn oder sie nach einem würdevollen Tod ins Pariser Pantheon zu bringen!
Wie sagt ein alter Freund immer in derartigen Situationen? Es ist so, wie es ist. Punkt. Zumindest ist man sich nun in den unterschiedlichsten Segmenten in Politik und Gesellschaft darüber einig, dass es nicht so weiter gehen kann, wie bisher. Aber anstatt daran zu arbeiten, wie konkret die Lösungswege aussehen, wie Menschen für sinnvolle Ziele mobilisiert werden können, ergötzt sich das ganze Konsortium und die Parteien jeglicher Couleur daran, was sie nicht machen werden und mit wem sie auf keinen Fall zusammenarbeiten werden. Das ist zwar informativ, ändert aber an der Situation nichts. Gar nichts. Sollte ein Bild gefunden werden über den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft, nach dem Verlust des äußeren wie inneren Friedens, dann ist es das von Onan in der Wüste.
Das Nichtstun und das Lamento in Abstraktionen führt nämlich zu keinem fruchtbaren Erfolg. Es ist verschwendete Energie, die gebraucht werden würde für die Erarbeitung und Formulierung ganz konkreter Ziele, von denen ein Großteil der Gesellschaft ausgehen kann, dass sie nicht nur erreichbar, sondern auch gewinnbringend sind. Dass etwas Neues entsteht, das die Menschen in der Lage ist zu mobilisieren und zu vereinen. Sollten Zeichen gesichtet werden, dass sich politische Formationen, Unternehmen oder gesellschaftliche Zusammenschlüsse auf Ziele einigen, die sie verwirklichen möchten und deren Erreichung vor allem vom eigenen Zutun abhängt, dann bitte ich darum, diese zu melden. Das wären die Keimzellen, aus denen etwas entwickelt werden kann, dass nicht nur die Krise, sondern auch die Stagnation überwinden kann.
Ja, wir befinden uns in einer multiplen Krise. Nein, wir kommen nicht heraus, wenn wir passiv bleiben und uns auf das Benennen der Sünder beschränken. Die Erkenntnis muss praktische Folgen haben.

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