Demokratie: Wir sind hier nur zu Gast?

Was für ein fatales Szenario! Diejenigen, die sich in der Vergangenheit gegen den Krieg als Mittel politischer Konflikte gaben, haben sich zu zähnefletschenden Kriegshyänen entwickelt und diejenigen, die durchaus den Krieg als ein Mittel der Artikulation politischen Willens betrachteten, sitzen wie die Täubchen in der Kulisse und summen Friedenslieder. Die Vehemenz, mit der die neuen Apologeten des Krieges auftreten, resultiert aus ihrem Verständnis, dass es gerechte und ungerechte Kriege gibt und selbstverständlich ist die eigene Parteinahme eine gerechte. Und die neue Stimme des Friedens, die sich als Resonanz der großen Mehrheit wähnt, argumentiert mit dem nationalen Interesse. Die einen sprechen von Werten und sorgen für astronomische Steigerungsraten des Mehrwerts von Rüstungsunternehmen und die anderen argumentieren mit Interessen hinsichtlich der Lebenshaltung und der energetischen Nöte der Wirtschaft. Und eine Prognose sei gewagt: diese beiden Fraktionen werden nicht mehr zueinander finden!

Denn das ist es, worum es geht: Soll die Politik die Interessen eines Großteils der Bevölkerung vertreten oder existiert etwas Höheres, Metaphysisches, um das es geht? Schaut man genau hin, dann sind auch die ideellen Ziele der Kriegsfraktion nichts anderes als materielles Interesse. Es geht um Öl, um Gas, um Weizen und um Manpower. Alles wird gebraucht, um den einzigen Wert zu vergrößern, nach dem zumindest die zur Zeit akkreditierten Agenturen streben, nämlich den Mehrwert. Nur ein Beispiel, und damit nicht der Eindruck entsteht, es ginge hier exklusiv um die Ukraine und Russland. Im gegenwärtigen Gaza-Krieg sind mittlerweile über 100 Journalistinnen und Journalisten ums Leben gekommen. Neben den tausenden von zivilen Opfern, die noch Jahrzehnte beklagt werden werden und die dafür sorgen, dass der Frieden dort keine Chance haben wird, geht es um einen zumindest in der Vergangenheit der westlichen Welt existenziellen Wert. Die freie Meinung, die freie Berichterstattung, die unabhängige Sicht der Dinge. Dass hierzulande kein Hahn danach kräht, dokumentiert, dass es hier so etwas kaum noch gibt. Um im Bild zu bleiben: die hiesigen Hähne stehen gut gemästet bewegungslos in der Batterie.

Gestern schrieb mir eine alte Bekannte, die Wahlen in Thüringen und Sachsen erinnerten sie an das Jahr 1932. Sie ist Mitglied der Partei, die den Kanzler stellt und der vielleicht zum Symbol für die Art von Politik in die Geschichtsbücher eingehen wird, die den Paradigmenwechsel von einer Politik der Interessenvertretung der eigenen Bürgerschaft hin zu einer Allianz, deren Wirken die eigenen Fundamente erheblich beschädigt. Wie das Spiel ausgehen wird, ist ungewiss. Dass es allerdings nicht so weitergehen wird und die jetzigen Akteure mangels Zustimmung sehr schnell verschwinden werden, ist sicher. Die Tragik dieses Kanzlers wird sein, dass er vielleicht gar nicht zu den Scharfmachern gehört, denn die sitzen hinten in den woken Requisiten, aber bei dem Versuch einer Moderation zwischen Allianz und staatlichem Eigeninteressen krachend gescheitert ist.

Die Reaktionen aller Beteiligten auf die Wahlergebnisse in diesen beiden Bundesländern zeigt, dass so weiter gemacht wird, wie bisher. Das spricht für Eskalation, für Unregierbarkeit, für massiven Überdruss in der Bevölkerung und den Vertrauensbankrott des politischen Systems. Der vielleicht größte Irrtum, der bei einem Teil der aktiven Politik vorherrscht, ist der Glaube, dass er identisch ist mit der Demokratie bzw. diese ihm gehöre, und die anderen nur zu Gast seien. Ein gesichert tödlicher Irrtum!

2 Gedanken zu „Demokratie: Wir sind hier nur zu Gast?

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  2. Avatar von gkazakougkazakou

    besonders problematisch finde ich die Fokussierung auf die Migrationsfrage und hier auf Kriminalität vs Diversivität. Eine kraftvolle Gesellschaft/Wirtschaft würde nie diesen Fokus wählen. Sie würde ihn Randgruppen überlassen. Wenn aber ein Gefühl der Auflösung der Grundlagen des gewohnten Lebens aufkommt – und das scheint bei vielen Deutschen so zu sein – , dann wird es gefährlich für Minderheiten.

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