Freunde aus allen Teilen der Welt haben sich wiederholt bei mir gemeldet und sich nach dem geistigen Zustand Germanistans, so will ich das sich mehr und mehr als amerikanisches Protektorat profilierendes Gebilde einmal nennen, besorgt erkundigt. Einer aus dem fernen Südostasien, seinerseits ein waschechter Landsmann, den es auf der schönen Insel Java gehalten hat, beklagte sogar, dass er sich nur noch ungern mit Landsleuten unterhalte, was er früher allzu gerne gemacht hätte. Zum einen, weil er immer sehr begierig auf Nachrichten aus der Heimat sei und zum anderen geschätzt habe, wie gut informiert über das Weltgeschehen die Landsleute gewesen seien und wie profund ihre Einschätzung der Dinge herüber gekommen sei. Das sei seit einigen Jahren nicht mehr der Fall. Ganz im Gegenteil. Es sei nahezu peinlich, sich die geballte Ladung an Vorurteilen, die eindimensionalen Sichtweisen anhören zu müssen und auf entsetzliches Unwissen zu stoßen. Da hätte eine Konversation kaum noch den Namen verdient. Ein anderer wiederum, aus dem Norden des amerikanischen Kontinents, der vor Jahrzehnten ausgewandert ist, weil ihm das politische Klima hierzulande bereits damals nicht gefallen hat, fragte dasselbe und berichtete dasselbe. Auch aus europäischen Nachbarländern kommen ähnliche Fragen, auch wenn die eine oder andere Klage über den Regulierungswahn, die wachsende Intoleranz, den veitstanzenden Militarismus und die elendiglich krepierende Diplomatie wie ein donnerndes Echo aus den eigenen Ländern klinge. Aber ihr, so manch gutgläubige Seele gegenüber dem geläuterten Monster aus Germanistan, von euch hätten wir das nicht gedacht. Und jetzt das!
Ich muss gestehen, dass mir zum einen die Klagen und Fragen aus verschiedenen Teilen der Welt and Herz gehen. Zum anderen bewegt mich dieser Sinneswandel hin zu einer neuen und gut verkleideten Form des Totalitarismus nicht weniger. Hier, mitten in Germanistan, fragen mich immer mehr Zeit- und Weggenossen, ob ich nicht auch darüber nachdächte, meine Zelte abzubrechen und das Weite zu suchen. Und sie sehen mich ungläubig an, wenn ich es verneine. Manchmal habe ich den Eindruck, sie suchten Zuspruch, um sich selbst doch noch in Bewegung zu setzen. Was mich selbst davon abhält, ist der regelmäßige Blick auf den Globus. Ein zunehmend autoritärer werdendes Regime durch ein perfekt bereits autoritär und korrupt arbeitendes zu ersetzen scheint mir keine gute Option zu sein. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wahre Verantwortung auch darin besteht, missliche Entwicklungen auszuhalten und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass der fortschreitende Wahnsinn wieder ein Ende finden möge. Da hängt dann auf einer großen weißen Wand der wunderschöne Satz Mahatma Gandhis in meinem von Entsetzen leergefegte Kopf: Erst lachen sie über dich; dann bekämpfen sie dich; und dann gewinnst du!
Wie zu sehen, existieren verschiedene Gründe, die Perspektive zu wechseln und in der folgenden Zeit den Versuch zu unternehmen, die Vorgänge in Germanistan nicht intern zu beschreiben und zu kritisieren, sondern zu versuchen, sie einem außen stehenden Publikum verständlich zu machen. Diese Perspektive fordert nahezu von selbst eine gewisse Zurückhaltung im Urteil. Es geht dabei um den Versuch einer Erklärung. Dass diese Methode im gegenwärtigen Germanistan schlecht beleumundet ist und man dafür schnell den Beinamen „Versteher“ bekommt, was so etwas wie ein Signet für Aussatz ist, ist mir wiederum einerlei. Wie heißt doch ein wunderschönes Sprichwort aus dem Land, das momentan für alle Missetaten auf der Welt verantwortlich gemacht wird?
Über einem freien Mann ist nur noch der Himmel!
Die ersten „Nachrichten aus Germanistan“ erhalten Sie in den nächsten Tagen!
