Während hierzulande ein sich immer größeres Ungleichgewicht etabliert, sieht es in den USA nach der Renaissance der harten Boxkämpfe aus. Gemeint ist die Form der politischen Auseinandersetzung. Während diejenigen, die sich hier an der Macht wähnen, in immer häufigeren Fällen mit harten Attacken auszeichnen, ist die unter normalen Umständen faire Replik nicht erlaubt und verpönt. Wenn Vertreter der Regierungsparteien die unterschiedlichen Gegner als Putins Söldner, als Unterwerfungspazifisten, als Verschwörungstheoretiker, als Verbreiter von Hass und Hetze bezeichnet werden, wäre eine adäquate Replik, die von Amerikas Fünfter Kolonne, von Kriegshetzern, von Propagandisten oder von entrückten Sektenmitgliedern spräche, der Grund für einen Aufschrei, dem kurz danach die ersten Sondereinsatzkommandos folgten. Es ist höchste Zeit, ganz im Sinne einer alten, soliden Herrschaftskritik, dieses Ungleichgewicht genauer zu dokumentieren. Einer, der mittlerweile auch zu den Stigmatisierten gehört, weil er sich angemaßt hat, die Massakrierung des Aufklärungsgedanken durch diverse Ampelpolitiker und öffentliche Medien zu kritisieren, hat dies kürzlich mit der Illustration zwei medial verwendeter Adjektive getan: es handelte sich um die Begriffe „streitbar“ und „umstritten“. Damit traf er den Kern des Problems. Man kann es auch drastischer auf den Punkt bringen: während ein neureicher Pöbel seine Unverschämtheiten absondert, reagiert er mit woken Geheule, wenn das entsprechende Echo kommt.
Anders dagegen in den USA. Donald Trump wurde und wird hier seit langem, seit sich die jeweils amtierende Politik als Unterabteilung der amerikanischen Demokraten profiliert hat, gerne mit seinen rabaukenhaften und derben Formulierungen zitiert. Dass ein Joe Biden auch anders konnte als der etablierte Onkel Joe, lässt sich anhand zahlreicher Anlässe dokumentieren. Und seine zumindest von ihm und ihr selbst favorisierten Nachfolgerin, Kamala Harris, ist auch kein zartes Pflänzchen, sondern dem rauen Ton eines amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes durchaus gewachsen. Schon am ersten Tag nach Joe Bidens Verzicht auf die Kandidatur, gab sie zu Protokoll, dass sie als ehemalige Staatsanwältin wisse, wie Kriminelle aufträten und argumentierten. Deshalb sei sie für ein Duell mit Donald Trump bestens gerüstet. Man kann sich vorstellen, wie Donald Trump reagieren wird. In den USA gilt beides als erwarteter Ton in einem harten Duell. Man kann aber davon ausgehen, dass Trumps Replik hierzulande durch alle Gazetten als ein typisches Dokument seiner Frevelhaftigkeit gejagt werden wird.
In was das alles in den USA noch münden wird, bleibt abzuwarten. Man täte gut daran, sich den Zustand des Landes mit einigem emotionalen Abstand anzusehen. Dann wird man sicherlich besser begreifen, um was es dort geht. Diejenigen, die das Potenzial zu einer Wende einer desaströsen Wirtschafts- und Finanzpolitik hätten, nämlich die Demokraten, haben sich von ihrer eigenen politischen Klientel verabschiedet und bieten sich seit langer Zeit den neoliberalistischen Hegemonieverfechtern an. Und Trump sammelt viele der Verlierer ein, ohne selbst daran zu denken, ihnen eine grundlegend andere Politik anzubieten. Egal, wie dieser mit harten Bandagen ausgetragene Kampf ausgehen wird, es wird ein sozial und mental tief gespaltenes Land bleiben.
Letzteres ist vielleicht die einzige Lehre, die man aus dem ganzen Zirkus, der in diesem Präsidentschaftswahlkampf dargeboten wird, lernen könnte. Wenn man es ehrlich meinte. Wenn einem etwas am eigenen Land läge. Wenn man die Spaltung überwinden wollte. Und wenn man sich vor einem Kampf mit harten Bandagen nicht fürchtete. Wenn einem das woke Geheule letztendlich doch besser zu Gesicht steht.

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