Es scheint, als beherrsche ein Begriffspaar alles, womit wir uns in Krisen befassen. Die beiden Termini schließen sich aus, und deshalb dokumentieren sie gleichzeitig, wie gespalten unsere Gesellschaft ist. Es handelt sich um das Ressentiment und das aufgeklärte Welt- und humanistische Menschenbild. Bei den Konflikten, die in unser Leben hineinreichen, sind wir stets damit konfrontiert. Menschen, von denen ich ausging, dass sie ihr ganzes Leben mit einer Grundhaltung durchlebt haben, die auf den Prinzipien der Aufklärung basierte, sprich auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, entpuppten sich plötzlich als hasserfüllte Extremisten, denen keine historisch noch so banale Konstruktion von Feindbildern zu unappetitlich war, um sie nicht zu übernehmen, durchschnitten somit das Band der Sympathie mit einem einzigen Handgriff. Verhetzt, wie sie waren, hörten sie sich kein Argument mehr an, erblindet, wie sie waren, sahen sie nicht mehr die andere Seite, und hysterisch, wie sie waren, verbissen sie sich in immer neue Tiraden, sobald jemand ihre Ansicht nicht mehr teilte.
Zumindest hier, in dieser Gesellschaft, die so gute Jahre erlebt hatte, weil sie es aushielt, dass man sich stritt und um Mehrheiten rang, war ein mentaler Monolith entstanden, der historisch überall da, wo er zu sehen war, das Ende dieser Gesellschaft signalisierte. Das Ressentiment wurde zur Illusion einer Gemeinsamkeit. Einer Gemeinsamkeit, die nicht dauern kann und die vor allem nichts hervorzubringen in der Lage ist, was Bestand hat. Das Ressentiment ist die Fahne der Zerstörung. Und das ist alles, was bleiben wird.
Auch das humanistische Menschenbild ist geographisch wie historisch relativ. Es ist nicht universal, weil es gewaltige kulturelle Entitäten auf diesem Planeten gibt, die anders gewoben sind und funktionieren. Es geht nicht darum, das zu bewerten, sondern zu begreifen. Wer bei der Begutachtung des Fremden gleich ins Ressentiment abgleitet, hat das Spiel bereits verloren. Das humanistische Weltbild ermöglicht zumindest einen kognitiven Zugang zu allen Erscheinungen menschlicher Existenz, die der unseren nicht gleichen. Und sie garantiert, intern, einen Glauben, dass der Hass niemals das Werkzeug einer wie auch immer gearteten Konstruktivität sein kann.
Die Erkenntnis scheint so einfach zu sein. Und dennoch hat das Ressentiment zur Zeit die Oberhand. Und, so dramatisch, wie es klingt: aufgeklärtes Weltbild oder Ressentiment, es ist die Frage von Sein oder Nicht-Sein. Wollt ihr den totalen Krieg? In den Köpfen tobt er bereits!


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Es nicht weit dem Zar dieselben Worte, die von Ihnen im Text wiederholt, in seinen Mund zu legen.
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