Es kommt immer darauf an, was einem wichtig erscheint. So ist es logisch, dass die hiesige Berichterstattung über die Politik in den USA in großen Teilen auf den Prozess gegen Donald Trump wegen versuchter Wahlfälschung einen großen Raum einnimmt. Selbstverständlich es das berichtenswert, denn ein US-Präsident im Amt, der versucht, die Instanz demokratischer Legitimation per se mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen – das muss Gegenstand der Vermittlung sein. Wenn allerdings zur gleichen Zeit ebenfalls in den USA bereits Untersuchungsausschüsse existieren, die sich mit den Aktivitäten des heutigen Präsidenten im Amt während seiner Zeit als Vize-Präsident befassen, dann sollte das die eine oder andere Note wert sein. Ist es aber nicht. Grund, und das ist keine Überraschung, ist die Zugehörigkeit vieler in der Bundesrepublik aktiver Journalisten zu von amerikanischen Demokraten (im Sinne der Parteizugehörigkeit) ins Leben gerufenen Think Tanks sind, die zum Ziel haben, die Weltsicht dieser Partei publik zu machen und als die einzig richtige darzustellen. Wenn man so wollte, könnte man die hiesigen Nachrichten als ein Pressebulletin der us-amerikanischen Demokraten bezeichnen.
Es ist schon sehr erstaunlich, dass das Bild des vormaligen Präsidenten Donald Trump als eine einzige Skandalgeschichte gezeichnet und sein Wahlsieg 2016 als das Machwerk russischer Bots erklärt wurde, während die politischen Aktivitäten Joe Bidens durchweg als die eines seriösen Herren erscheinen. Dabei ist die Weste dieses alten Herrn sehr befleckt.
Gleich nach dem Wahlsieg Obamas im Jahr 2008 wurde dessen Vize-Präsident Joe Biden exklusiv mit dem Projekt Ukraine beauftragt. Dabei scharte dieser Politiker und Politiker um sich, die aufgrund ihrer Herkunft und Familiengeschichte als in der anti-russischen Tradition stehend bezeichnet werden müssen. Antony Blinkens (heutiger Außenminister) Vorfahren stammen aus Kiew/Ukraine und Victoria Nulands (Staatssekretärin) Familie kommt aus dem heutigen Moldawien. Biden selbst hat das Junktim der EU mit der NATO administriert, die Kräfte unterstützt, die den gewählten Präsidenten Janukowitsch absetzen wollten und war maßgeblich an der Aufrüstung der Ukraine nach dem politischen Umsturz beteiligt.
Dass bei solchen Aktivitäten auch Geschäfte gemacht werden können, war einer interessierten Öffentlichkeit bereits früh deutlich geworden, als der durch Drogenskandale bekannte Sohn Joe Bidens, Hunter, einen Aufsichtsratsposten in einem ukrainischen Ölkonzerns erhielt, der ihm ohne Kenntnisse des Geschäftsfeldes monatlich 50.000 US$ garantierte. Und als ein ukrainischer Staatsanwalt im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen auch gegen Hunter Biden ermittelte, erschien Joe Biden auf der Bildfläche und sorgte dafür, dass der Staatsanwalt aus dem Verkehr gezogen wurde. Er war auf diese Intervention so stolz, dass er vor laufenden Kameras auch noch Witze darüber machte. Und nun ermittelt ein Ausschuss wegen dubioser Geschäfte, die Biden dort selbst gemacht haben soll.
Nichts ist schöner als ein heiles Weltbild. Dass Joe Biden dem nicht entspricht, sollten die moralinsauren Apostel des Journalismus, die die öffentliche Meinung täglich mit ihren Dummheiten kontaminieren, spätestens dann registriert haben, als dieser vor laufenden Kameras das Ende von Nord Stream II im Beisein eines deutschen Kanzlers vorhersagte. Es war nicht die einzige Situation, in der sich der gegenwärtige US-Präsident wie ein gewöhnlicher Pistolero gebärdete.
Es wäre an der Zeit zu konstatieren, dass Joe Biden in vielerlei Hinsicht ein schillerndes Bild auf die USA wirft. Müsste man sich nicht fragen, wie es um dieses Land bestellt ist, in der zwei Greise mit zweifelhaftem Leumund um die Präsidentschaft buhlen und das ganze Spektrum der Kandidaten ein Bild liefert, das jede Hoffnung fahren lässt? Ist das der Leuchtturm, an dem man sich orientieren soll?

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Schon 2004 hat ein namhaftes Politmagazin abschließend geklärt, freie Wahlen sind heilig, auch wenn und grade weil man immer nur die Wahl zwischen Giant Douche und Turd Sandwich hat. Ich glaube, Max Weber wusste das auch schon, hatte es aber etwas höflicher formuliert.