Richard David Precht, Harald Welzer, Die Vierte Gewalt
Manchmal sind die Dinge doch recht einfach, auch wenn sie kompliziert erscheinen. So ist die Notwendigkeit der Existenz des vorliegenden Buches mit der Art und Weise seiner Rezension unterstrichen. Der Philosoph Richard David Precht und der Sozialpsychologe Harald Welzer haben zusammen ein Buch geschrieben, das sich mit der Entwicklung des Journalismus in diesem Land auseinandersetzt. Unter dem Titel „Die Vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, die keine ist“ untersuchen sie die unterschiedlichen Mechanismen, die zu dem geführt haben, was vielleicht noch am neutralsten mit dem Begriff des Aufregungsjournalismus beschrieben ist.
Um es vorweg zu nehmen: Die meisten Rezensionen aus dem Metier, das zur Betrachtung stand, sind negativ und sie machen genau das, was die beiden Autoren treffsicher in dem Buch beschreiben. Sie reißen Zitate aus dem Zusammenhang und sie polemisieren gegen die Personen. Und sie belegen ausführlich, dass sie intellektuell mit dem Buch wohl überfordert waren.
Die Überforderung kommt allerdings nicht von ungefähr. Die beiden Autoren zwingen die Leserschaft bereits im ersten Kapitel in eine Auseinandersetzung mit dem Öffentlichkeitsbegriff in der bürgerlichen Gesellschaft, ihrem Strukturwandel und ihrer Idealisierung und den daraus abzuleitenden Notwendigkeiten einer tatsächlichen Demokratisierung. Erst dann begeben sie sich in die Niederungen des real existierenden Journalismus, vor allem den des Politischen, der von einer Aufmerksamkeitsökonomie getrieben und den damit innewohnenden Marktmechanismen bewaffnet die gründliche Recherche genauso verhindert wie den Perspektivenwechsel. Da bleibt von der Politik nicht mehr viel übrig als die sie verkörpernden Figuren, um die es dann exklusiv geht.
Aus diesem Amalgam entsteht ein so genannter Cursor-Journalismus, in dem geringfügige Abweichungen vom Mainstream noch geduldet, aber unterschiedliche Positionierungen, dem Humus des in Demokratien notwendigen Diskurses, bis zur Vernichtung von Reputation und Existenz bestraft werden. Zu gut und zu präsent sind die Beispiele, die als Beleg angeführt werden und zu nah sind noch die Ereignisse wie die Immigrationswelle von 2015/16, die Corona-Krise 2020/22 und der Ukraine-Krieg seit 2022.
Der konstatierte Vertrauensverlust in die Vierte Gewalt ist durch unterschiedliche Untersuchungen und Befragungen belegt und keine originäre These des vorliegenden Buches. Es untersucht lediglich die Ursachen und verweist auf einen desaströsen Verfall des journalistischen Handwerks. Und es räumt auf mit dem immer wieder sich aufdrängenden Eindruck, die Politik, schlimmer noch, die Regierung steuere eine gleichgeschaltete Presse. Ganz im Gegenteil. Es wird sehr plausibel dargelegt, dass eine Machtverschiebung dafür gesorgt hat, dass die Politiker von einer effektsüchtigen wie meinungsuniformen Presse getrieben werden wie das Wild im Herbst.
Aufgrund der anspruchsvollen Argumentationsführung, die immer wieder theoretische Exkurse erfordert, stellt sich die Frage, wen das Buch erreichen soll? Diejenigen, die der Beweisführung folgen können, werden sich schlicht bestätigt fühlen. Andere wiederum sind vielleicht zu schnell verschreckt und legen das Buch beiseite. Und die Kritisierten werden sich nicht überzeugen lassen. Vielleicht ist es ja auch ein Hinweis darauf, dass man der gesellschaftlichen Wahrheit ohne Mühen nicht nahekommen kann. Das wäre, neben den vielen guten Beobachtungen und Argumenten, eine wertvolle pädagogische Intervention. Die Lektüre sei unbedingt empfohlen!
- Herausgeber : S. FISCHER; 2. Edition (28. September 2022)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 288 Seiten
- ISBN-10 : 3103975074
- ISBN-13 : 978-3103975079
- Abmessungen : 13.2 x 2.79 x 21 cm

Ja, das ist die Crux. Die einen fühlen sich bestätigt und die anderen kommen gar nicht erst durch. Und nun raten wir mal: Wer von beiden stellt die Mehrheit?
Das ist auch leider wieder so ein Buch für das „Danach“ – Nach dem nächsten gesellschaftlichen Zusammenbruch, wird man Bücher wie dieses hervorholen und sagen: Eigentlich war doch alles vor der Katastrophe schon bekannt und lag in Buchform vor.
Wenn die Eisenbeißer (komischerweise vorwiegend weiblich) uns in den III. Weltkrieg hineinpalavert haben und ins Exil nach Florida emigriert sind – sitzen wir hier in der Scheiße und —? Haben dummerweise vorher schon alles so kommen sehen.
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Precht hat Unrecht
Er kann nicht denken
mangelnde Expertise
sagt die Rapperin
Zerebralkoryphäe
so wird es sein denke ich