Der große Wurf und die gemeinsame Intentionalität

Nehmen wir einmal an, dass das, was momentan die Welt spaltet, tatsächlich die Dimension hat, die viele Menschen, egal auf welchem Kontinent sie leben, dazu verleitet, in Depression und Dystopie zu verfallen. Die Aufzählung dessen ist tatsächlich bedrückend. Auch wenn das in unseren Breitengraden gerne geleugnet und nicht als akut wahrgenommen wird: Das sind Armut und Hunger, da ist die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, da sind Epidemien, da sind gesellschaftlich-politische Konstrukte, die von Gewalt und Ausgrenzung leben und da sind heiße und schwelende Kriege. In ihrer Summe sind das Ereignisse, die in ihrer Wirkung zunehmen und die Aussicht auf eine gemeinsame, globale Existenz im Wesen bedrohen.

Die Geschichte wie die tägliche Praxis in kleineren Kontexten lehrt, dass es unmöglich ist, eine solche Problemkonzentration auf einmal und gleichzeitig lösen zu können. Und und es ist ebenso illusionär zu glauben, dass ein kleiner Teil der Betroffenen in der Lage sein sollte, einen Ausweg zu finden, ohne die anderen Teile mit einzubinden und sie als Akteure einzubinden und zu akzeptieren. Und es ist in solchen Situationen wichtig, eine gemeinsame Vorstellung darüber zu entwickeln, nach welcher Priorisierung vorgegangen werden soll. Geschieht dieses alles nicht, dann ist die Prognose stabil, dass sich nichts ändern wird.

Die Erkenntnis ist banal wie folgerichtig. Nur hat sie momentan keine Mehrheit. Momentan formieren sich verschiedene Zentren, die jeweils der Auffassung sind, selbst den Schlüssel in der Hand zu haben und es lediglich notwendig sei, die konkurrierenden Systeme auszuschalten. Und, das ist die schlechteste Nachricht, gegenwärtig setzen die verschiedenen Akteure auf Krieg. 

Die anfangs aufgezählten Probleme haben es an sich, durch Kriege nur verstärkt zu werden: Armut und Hunger wachsen, die natürlichen Lebensgrundlagen werden weiter zerstört, Epidemien sind eine nahezu gesetzmäßige Begleiterscheinung von Kriegen und diktatorische Systeme erhalten Aufwind. Kriege zerstören Zivilisation. Der Krieg ist der beste Garant, um die weit verbreiteten Dystopien Wirklichkeit werden zu lassen. 

Nehmen wir an, der Gedankengang überzeugt. Wäre es dann nicht an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie diese konzentrierte, globale Problemlage in einer konzertierten Aktion beschrieben, analysiert und Lösungsansätze verfolgt werden können? Und ist es nicht Zeitverschwendung, sich über den einen und anderen Vorschlag, der sich auf eigennützige Eigenaktionen beschränkt, auseinanderzusetzen? Und ist es nicht ebenso unsinnig, mit dem Finger auf einzelne Akteure zu zeigen, und sie auf die gesamte Misere verantwortlich zu machen, nur um den eigenen Weg, der ebenso in das Desaster geführt hat, von jeglicher Kritik reinzuwaschen?

Es ist festzustellen, dass diese unsinnigen wie überflüssigen Ansätze in den verschiedenen Machtzentren dieser Erde überwiegen. Die Konsequenz kann allerdings nicht sein, die Hände in den Schoß zu legen und sich mit Untergangsszenarien zu befassen und auf das Ende zu warten. Die Menschen, die sich dessen bewusst sind, wären gut beraten, dort, wo sie leben, für eine globale konzertierte Aktion zu werben und sich vor allem von denen zu trennen, die schon immer alles gewusst haben, die Patentlösungen in der Tasche zu haben glauben und vor allem mit dem Finger weltweit auf jene zeigen, die für die Gesamtlage alleine verantwortlich sind. 

Leider dominiert dieses System, das kolonialistische Züge trägt und in der Tradition der Kreuzzüge steht, auch in dem Verantwortungsbereich, in dem wir leben. Damit muss Schluss sein. Das einzige, was  helfen mag, um die kollektive existenzielle Bedrohung abzuwenden, ist eine globale Initiative. Es geht um den großen Wurf. Dieser ist ohne das, was man in der Kommunikationsforschung so treffend die gemeinsame Intentionalität nennt, also die Übereinkunft, den Willen zu haben, es gemeinsam bewältigen zu wollen, nicht zu machen. Wer das leugnet, ist Teil des Problems.    

3 Gedanken zu „Der große Wurf und die gemeinsame Intentionalität

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  2. Avatar von Knut RichterKnut Richter

    Ich sehe das genauso. Nur in einem Punkt muss ich wiedersprechen. Es wird keinen großen Wurf geben. Der einzige gangbare Weg ist im kleinen anzufangen. Schritt für Schritt. Und dabei immer weiter mit guten Ideen expandieren. Ich schreibe bewusst expandieren. Machen wir es einfach wie die Großkonzerne. Vielleicht müssen wir dazu sogar ein Gewerbe anmelden. Aber auch das wäre kein Problem. Wenn die Idee gut ist,wird es funktionieren.

    1. Avatar von TillsitterTill Sitter

      „Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muß scheitern.“
      (Friedrich Dürrenmatt)

      Das ist wohl ungefähr das, was Herr Mersmann meint und damit hat er Recht. Eine globale Initiative könnte sogar funktionieren, wenn man folgendes berücksichtigt:

      „Nichts ist fähiger diese Vorurtheile zu zerstreuen, als die Kenntnis vieler Völker, bey denen die Sitten, die Gesetze, die Meinungen verschieden sind, eine Verschiedenheit, die durch eine leichte Bemühung uns lehrt dasjenige wegzuwerfen, worin Menschen uneinig sind, und das für die Stimme der Natur zu halten, worin alle Völker miteinander übereinstimmen.“
      (Albrecht von Haller)

      Allerdings bin ich davon überzeugt, dass die Vernunft nicht so großzügig verteilt ist, dass das Einfachste begriffen wird. Deshalb sehe ich schwarz.

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