Freie Presse: Ein verlorener Tag?

Wir haben uns daran gewöhnt, dass es immer wieder Tage gibt, an denen auf besondere Themen aufmerksam gemacht werden soll. Der Tag der Pressefreiheit ist so einer. Und das Thema, im Gegensatz zu manchen, an denen man sich fragt, ob es wirklich sein muss, gleich ein internationales Event daraus zu machen, beschreibt ein hohes Gut, das in vielen Ländern und zu vielen Gelegenheiten mit Füßen getreten wird. Wer das freie Wort verbietet, will die Gedanken der Kritik unterdrücken und Zustände unberührt lassen, die noch viel weiter gehen als die Beeinträchtigung des freien Wortes. Die Unterdrückung einer freien Presse und das Verbot kritischer Informationen und Gedanken geht einher mit anderen Formen der Gewalt: der Verweigerung von Grundrechten, dem Verbot von Versammlung, der Verweigerung der Freizügigkeit, dem Verbot von Parteien und Angriffen auf die Justiz.

Insofern ist der Tag der Pressefreiheit eine gute Gelegenheit, um auf Missstände hinzuweisen und gegen die entdeckten Angriffe zu mobilisieren. Zu dem Thema haben sich viele geäußert, Journalistenverbände, Politiker, Staatsoberhäupter und internationale Organisationen. Das ist gut so, sofern man damit das grundsätzliche Recht meint, frei sein Wort zu äußern und einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hierzulande dominiert der Verweis auf die Übergriffe auf Journalisten vor allem bei Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung gegen die Pandemie. Das gehört zu so einem Tag, und das Fakt, dass solche Übergriffe stattfinden, ist ein Indiz für einen Missstand. Solitär betrachtet, d.h. wenn es dabei bleibt, dann drängt sich ein Verdacht auf, der wieder das in den Fokus rückt, was immer mehr Menschen beschäftigt und zu einer leidvollen Erfahrung für alle geworden ist, die sich um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung Sorgen machen. Es geht um das Phänomen des doppelten Standards.

Hier soll nichts relativiert werden. Aber es soll darauf hingewiesen werden, dass eine andere, weitaus größere Gefahr für das freie Wort und die freie Presse existiert, die keine Erwähnung findet und die das substanzielle Recht existenziell gefährdet. Die Rede ist vom Besitz und der Konzentration des Pressewesens. Die Monopolisierung hat auch in diesem Land eine Dimension angenommen, die vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen ist und die parallel zum Siegeszug des Neoliberalismus stattgefunden hat. Die Massenpresse ist im Besitz weniger Eigentümer, die ihrerseits nicht nur eine politische Meinung, sondern gezielte wirtschaftliche Interessen haben. Sie haben dafür gesorgt, dass in ihrem Sinne berichtet wird, oder, um das Kind beim Namen zu nennen, dass die journalistischen Standards geschreddert wurden und von der Information übergegangen wurde zu einer systematischen Meinungsmache, die die politischen Entscheidungsprozesse gravierend beeinflusst.

Die Verhältnisse derer, die bei den einflussreichsten Pressehäusern beschäftigt sind, haben sich für den Großteil dramatisch verschlechtert, d.h. sie verfügen zu einem über prekäre Arbeitsverhältnisse, die die Daumenschrauben bei der Erstellung ihrer Arbeit gewaltig anziehen. Ein kleinerer Teil des journalistischen Korps wird hingegen mit dramatisch hohen Gagen versorgt. Sie sind diejenigen, die für die Richtung verantwortlich sind und die durch ihren Status so korrumpiert sind, dass sie dafür sorgen, dass keine kritische Berichterstattung gegen die Mogule einer zunehmend monopolisierten Wirtschaft zustande kommt.

Am Tag der Pressefreiheit wäre es angebracht, sich noch einmal über das Kartellgesetz in Bezug auf das Pressewesen zu beschäftigen und sich über die Arbeitsverhältnisse von Journalisten zu unterhalten. Solange diese Verhältnisse keine Erwähnung finden, ist es ein verlorener Tag.

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