Es gibt Wirkungskorrelationen im Leben, die gehören nicht unbedingt zu den Geheimnissen der Gattung Mensch. Und, das ist das Beruhigende, zumeist sind diese Wirkungszusammenhänge sogar so stark, dass sie unterschiedliche Kulturen und Sozialisationsformen überstrahlen. Sie gelten nahezu überall auf der Welt. Und dennoch: was da wirkt, wird immer wieder im Spiel der Macht und der jeweiligen Führung nahezu systematisch verkannt. Und auch diese Verkennung im Alltagsgeschäft von Herrschaft hat etwas Supra-Kulturelles. Die Herrschenden in Ost und West, im Norden wie im Süden scheinen allesamt, je länger sie Ämter innehaben, die Intuition über Fühlen und Denken derer zu verlieren, mit denen sie es zu tun haben. Das sollte bei Konzeptionen für alternative Formen der gesellschaftlichen Geschäftsführung im Gedächtnis bleiben. Genauso wie die schmerzhafte Erkenntnis, dass die Regierten nicht selten die Regierenden dazu drängen, diese so wichtige Intuition zu verlieren oder zu missachten.
Worum geht es? Bei jeder Form der Regierung geht es, wie bei allem andern im Leben, um Zeit und Raum. Eine Regierung verfügt über ein bestimmtes Zeitkontingent, innerhalb dessen sie sehr viel Raum besitzt, um das zu verwirklichen, was sie sich vorgenommen hat. Daran wird sie gemessen. Das Versprechen, ob frei gegeben oder den anderen aufgezwungen, ist das Maß, welches die Regierten anlegen, wenn sie die Herrschaft beurteilen. Haben die Regierenden das erreicht, was sie sich vorgenommen haben? Und wenn ja, inwieweit korreliert das mit den Interessen der einzelnen Individuen und Gruppen? Bei einer Enttäuschung der Mehrheit ist das Urteil relativ leicht gefunden. Geht dieses Spiel lange und bietet sich keine Alternative zu der etablierten Form von Herrschaft, dann beginnen die Regierten nach anderen Optionen zu suchen. Wer unter Druck steht, kann zu unüberlegten Handlungen neigen, was in der Regel von den Regierenden als struktureller Mangel der Regierten diffamiert wird. Auch da wird der Wirkungszusammenhang ausgeblendet.
Eine andere Variante ist die Korrelation von Sicherheit. Ordnung und Freiheit. Der Ruf nach Sicherheit und Ordnung wird immer dann laut, wenn die Zeiten stürmisch sind. Es sind immer die, die etwas zu verlieren haben. Das sind die, die strukturell von dem gesamten System profitieren, es sind aber auch andere, die mit ihrem kleinen individuellen Glück überleben wollen. Letztere seien nicht diskreditiert. Das Wesen des Menschen wird bestimmt von einer grundlegenden Korrelation, die Sicherheit, Ordnung und Freiheit betrifft: Die Akzeptanz von Ordnung korreliert mit dem Grad von Freiheit, der dafür auf dem Spiel steht. Dieser Satz sollte über jedem Gebäude stehen, in dem öffentliche Belange verhandelt werden. Ob es hülfe, weiß man nicht, aber es wäre so etwas wie ein dringlicher Hinweis auf die Geschäftsbedingungen.
Und nun, dieser lapidaren Erkenntnis gewärtig, lehne sich jede und jeder einmal zurück und lasse die Regierungsgeschäfte im eigenen Land und in der eigenen Stadt unter dem Aspekt von Zeit und Raum auf sich wirken. Wurde die Ordnung verbessert? Mussten dafür Freiheiten geopfert werden? Ist die Sicherheit, die von der Ordnung erwartet wird, größer geworden? Hat der Verlust von Freiheit weh getan? Oder anders herum, welche Freiheiten sind hinzugekommen? Und wenn ja, welche sind es?
Sollte die Bilanz so ausfallen, dass die Ordnung immer weiter expandierte und die Freiheit immer weiter zurückgedrängt wurde, dann, das ist sicher, beginnt notwendigerweise die Suche nach einer grundlegenden Alternative. Ob verzweifelt oder nicht. Wenn die Ordnung in alle Lebensritzen dringt, dann meldet sich die Freiheit!

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In Deutschland korrelieren die Achsen Freiheit/Ordnung meiner Erfahrung nach stark mit Bevölkerungsdichte bzw Privatheit. Je öffentlicher, desto geordneter. Freigeister sind dagegen immer bemüht, im privaten rechts- bzw ordnungsfreie Räume zu schaffen. Das Paradies bürgerlicher Verlogenheit, wo die Freiheit auf den Bühnen unerwünscht, als Dienstleisterin am Personaleingang aber immer hochwillkommen ist.