Ukraine: Die Politik der dicken Zunge

Wer seine dicke Zunge zu früh zeigt, dem kann es ergehen, dass er am Ende gar nichts bekommt. So munkelt man es in den unterirdischen Gängen der Hauptstadt, wenn von der Ukraine die Rede ist. Irgendwie, und treffender kann auch das nicht formuliert werden, irgendwie ist man da in eine Politik geschlittert, die unter einem fürchterlich schlechten Mond stand. Zusammen mit den USA, die kräftig, sehr kräftig damit beschäftigt waren, wieder einmal einen Regime-Change zu inszenieren, zusammen mit diesen Umstürzlern begab man sich in die offene, geplante und gezielte Konfrontation mit Russland und seinen ureigenen Sicherheitsinteressen. Und die Gier zeigte auf ein kleines Eiland im Schwarzen Meer mit dem Namen Krim. Da sollten in naher Zukunft NATO-Raketen mit Ost-Programmierung stehen. 

Dass daraus nichts wurde, ist der Entschlossenheit Russlands geschuldet, das sich nicht hat so weit wie beabsichtigt provozieren lassen, sondern, zitieren wir die neue EU-Kommissionspräsidentin, Muskeln gezeigt hat. Jetzt ist die Krim wieder russisch und die Ostukraine, ebenso immer mit Russland assoziiert, ist dem direkten Einfluss Kiews entzogen. Die andere Ursache für das Scheitern waren die Befindlichkeiten der Ukraine selbst. Denn dort wollten weder die Oligarchen noch die Bürokraten einen Regime-Change. Sie wollten nur das Geld der dicken Zungen, und das scheint geflossen zu sein.

Bei den wiederaufgenommenen Gesprächen in Paris, bei denen die Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland an einem Tisch sitzen, wurde sehr schnell deutlich, dass es anscheinend zu Lösungsansätzen kommen wird, die auf die historische Befindlichkeit der Ukraine selbst eingehen und nicht gegen die Interessen Russlands stehen. Das anläßlich des Treffens hervorgequälte Narrativ von der Bösartigkeit Russlands wurde zwar wiederholt, medial gezielt eskortiert von Revolvergeschichten aus dem Berliner Tiergarten und kohortenweise gedopten russischen Sportlern, aber Einfluss auf die tatsächlichen Ergebnisse der Verhandlungen hat so etwas nicht. Es passt nur in das Schema der kollektiven psychologischen Mobilmachung gegen verschlagene Chinesen und brutale Russen. O tempora, o mores!

Die Ukraine, historisch nie die Einheit, die es heute vorgibt zu sein, denn immer genau anhand der Trennlinien kulturell politisch markiert, wie sie sich heute darstellen, ist ein Lehrstück dafür, wohin die Gier führen kann, wenn sie alles dominiert. Der Westen des Landes, das heute den Namen trägt, war nicht umsonst Bestandteil des K&K-Reiches, während der Osten sich immer Russland zugehörig fühlte und auch war. Diese historische Identität zu durchbrechen konnte nur denen einfallen, die sich im fernen Washington seit Jahrzehnten den Kopf darüber zerbrechen, wie sie Russland in die Knie zwingen und sich die russischen Ressourcen sichern können. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien das nahezu erreicht zu sein. Mit Putins Auftreten und seiner Kriminalisierung der mit den USA kooperierenden Oligarchen war das Spiel jedoch zu Ende. Daher ist er heute die Hassfigur, als die er kolportiert wird.

Dass die deutsche Politik, die sich einmal durch eine hohe diplomatische Kompetenz ausgezeichnet hat und den Dialog zwischen unterschiedlichen Interessen hat in Gang halten können, sich auf eine derartige dreiste Putschstrategie mit einem Ensemble von politisch illustren Elementen hat einlassen können, deutet schmerzlich darauf hin, dass die Koordinaten verloren gegangen sind. Die Formulierung, man fahre auf Sicht, trifft auf nahezu alles zu, was dort zu erwarten ist. Um es zusammenzufassen: In Paris wirkten die direkt Betroffenen entspannt und kommunikationsfähig, Macron erstaunt und Merkel überfordert. Nur die mediale Expertise strotzte vor Selbstbewusstsein, sie machte ungebrochen weiter mit der Produktion von Feindbildern. 

3 Gedanken zu „Ukraine: Die Politik der dicken Zunge

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  2. Avatar von gkazakougkazakou

    erschreckend wahr. Und du hast nicht einmal die Verwüstungen erwähnt, die dieses „Regime-Change“-Vorgehen für die Menschen in der Ost-Ukraine bedeutet. Ich finde die Aufteilung von größeren Ländern zwar nicht erstrebenswert, sondern würde es vorziehen, wenn Menschen verschiedener Sprache und Tradition zusammenfänden, aber sobald die Machtinteressen von außen und Innen die eine Seite gegen die andere aufputschen, ist eine Aufteilung leider die einzige Möglichkeit, damit es nicht zur Dauer-Schlächterei kommt (Beispiel Jugoslawien)

  3. Avatar von fibeamterfibeamter

    Zu gkazakou: Genau richtig, auch der Vergleich mit Jugoslawien. Der Hauptfehler liegt an der durch Rache vorgenommenen Aufteilung Europas nach dem 1.Weltkrieg. Vgl. damalige Tschechoslowakei., heute getrennt

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