Die Botschaft der Stunde: Alles hängt mit allem zusammen. Das ist zwar ganz so neu nicht, denn irgendwann gab es einmal Pantheisten und Universalisten, die hatten das auch in ihrem Weltbild. Doch nun hat die Erkenntnis, wie immer, wenn sie zeitgenössisch ist, eine ganz andere Qualität aus der Sicht derer, die sie erlangen. Daher auch der immer ein wenig verschleiernd wirkende Satz, die Welt sei komplexer geworden und daher alles nicht so einfach, wie es sich der Kleingeist vorstellt. Wenn letzte Bemerkung mal nicht sehr einfach ist, doch das ist ein anderes Feld. Diejenigen, die von der totalen Vernetzung der Welt und deren Komplexität sprechen, sind oft leider etwas sehr in Monokultur unterwegs. Ihre Komplexität reduziert sich auf die mittlerweile ins Binäre transformierte Welt. Dass daneben noch etwas anderes existieren könnte, wird mit ihrem Komplexitätsbegriff nicht abgedeckt.
Es ist Mainstream. Alles hängt mit allem zusammen und die Welt ist komplex. Doch worin besteht die Schlussfolgerung für diejenigen, die sich in diesem Mainstream wohlfühlen? Auch die Antwort ist Mainstream. Alles muss miteinander verbunden und der totale Datenfluss inszeniert werden. Was dann geschieht? Dann, so die wiederum daraus resultierende Erkenntnis, dann entstehen Möglichkeiten, von denen vorher niemand träumte. Auch das ist sicherlich ebenso richtig wie trivial. Wenn alle Akteure auf der Welt miteinander verbunden sind, dann entstehen Partnerschaften, von deren Möglichkeit vorher niemand etwas ahnte. Man denke an den Bochumer Teppichdesigner mit seinem in Ehrenfeld von den Eltern übernommenen Laden für Orientteppiche, der jetzt wie ein Startup-Labor für Free Art daherkommt und für den im fernen Nepal 1800 Menschen arbeiten. Wie gesagt, alles ist möglich. Teilweise überzeugt es, teilweise berauscht es, teilweise ändert es jedoch gar nichts.
Wenn alles mit allem verbunden ist und auf der einen Seite die Kreativität quasi aus den Nähten platzt, auf der anderen Seite aber archaische Arbeits- und Besitzverhältnisse bleiben und die Nähte von schwieligen, unterernährten Kinderhänden gezogen werden, darf die Frage gestattet sein, das gesamte Design der schönen neuen Welt auf bestimmte, existenziell entscheidende Dinge hin zu hinterfragen. Und lassen wir diese Fragen einfach einmal im Raum stehen und auf uns wirken. Wer jetzt alle Antworten parat zu haben glaubt, sollte der Skepsis aus reinem Realitätssinn etwas mehr Raum zugestehen. Wer vernetzt wen in welchem Interesse? Wem gehören die Netze? Zu wem gehen die Daten? Und wer bezahlt für was? Machen Sie bitte das Spiel, versuchen Sie die Fragen zu beantworten und lassen das Ganze auf sich wirken!
Schwenk zurück! Das, was als krass modern daherkommt, die Möglichkeit der totalen Vernetzung, ist wie bereits angedeutet, nicht so modern, wie es daher kommt. Alle, die sich an den Rändern ihrer eigenen Sozialisation aufgehalten haben, kennen die Arrangements, auf die jeder eingehen muss, wenn er mit fremden Lebenswelten konfrontiert ist. Verknüpfungen werden hergestellt, Kompromisse gemacht und – im besten Fall – ein Zusammenleben ermöglicht. So waren auch die Kolonisten unterwegs, von der Haushaltsführung bis zur Kulturentwicklung. Das, was uns gegenwärtig die globale Digitalisierung ermöglicht, geht in die gleiche Richtung. Provokativ könnte es bezeichnet werden als die radikale Demokratisierung der Möglichkeiten, oder, um es politisch zu würzen, eine Art Kolonialismus für jedermann.

Pingback: Eine Art Kolonialismus für jedermann — form7 | per5pektivenwechsel