„Wir sind noch da!“

Terry George. The Promise

Der nordirische Regisseur Terry George hat sich eines Themas angenommen, das bis heute politische Brisanz besitzt. Es handelt sich um den Völkermord an den Armeniern durch das türkische Militär im I. Weltkrieg. Unter dem Titel The Promise (Deutsch: Die Erinnerung bleibt) gelangte Georges Film in die Kinos und löste sofort große Betroffenheit und hitzige Debatten aus. Wie bekannt, erreichte das Thema auch den deutschen Bundestag. Dieser verurteilte den Genozid an den Armeniern in einer Resolution, was zu einer ernsthaften Verstimmung des türkischen Präsidenten Erdogans führte. Fakt ist, dass bisher alle türkischen Regierungen, inklusive der heutigen, den Tatbestand des Völkermords an den Armeniern kategorisch leugnen. Fakt ist auch, dass während des I. Weltkrieges 1,5 Millionen Armenierinnen und Armenier ihr Leben verloren.

Angesichts der immer noch vorherrschenden politischen Brisanz ist es ein Verdienst, anhand eines Films auf die Zusammenhänge hinweisen zu wollen. Und was dem Film in hohem Maße gelingt, ist die Darstellung der Konsequenz des Vorgehens seitens des türkischen Militärs und des Ausmaßes der Vernichtung. Was die Brisanz reduziert, ist die als Rahmenhandlung ersonnene  Liebesgeschichte und Ménage à trois  zwischen einer weltgewandten Armenierin, einem aus der armenischen Provinz stammenden Studenten und einem amerikanischen Auslandskorrespondenten, der furchtlos über das Morden berichtet. Diese Beziehung liefert die erzählerische Konsistenz, die nicht immer gegeben ist. Was ein Rätsel bleibt und im Film – leider – nicht versucht wird aufzuschlüsseln, ist das Ressentiment der Türken gegenüber den Armeniern. Es wird zwar deutlich, dass im Vorkriegs-Konstantinopel sehr reiche und mit großem Einfluss agierende Armenier leben, mehr aber auch nicht. 

Mit Ausbruch des I. Weltkrieges beginnt das Gemetzel, dass in seiner filmischen Schilderung in vielem an den deutschen Holocaust erinnert. Die Zuschauer werden Zeugen großer Grausamkeit und einer verzweifelten Flucht, weil es heißt, dass französische Kriegsschiffe am Schwarzen Meer zu einer Rettung bereit stehen. Eingebaut ist auch der historisch verbürgte Aufstand armenischer Flüchtlinge am Berg Musa Dagh, der in der Filmhandlung kurz vor der tatsächlichen Rettung von viertausend Flüchtlingen, darunter einige hundert Waisenkinder, durch ein französisches Kriegsschiff steht. Dazu sei an dieser Stelle Franz Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ als Lektüre geraten.

Der Film endet mit einer Szene aus dem amerikanischen Exil aus dem Jahre 1942. Einer der Protagonisten ruft vor Schulabsolventen, die sich zum Teil zur amerikanischen Armee gemeldet haben, einen Trinkspruch aus. Die Anwesenden sind die damals gerettet Waisenkinder, die nun bereit sind, in den II. Weltkrieg zu ziehen und zu kämpfen. Die Quintessenz des Toasts: Wir sind noch da!

Der Film The Promise liefert einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung des Völkermords an den Armeniern. Er wäre auch ohne Hollywood-Romanze und ohne Devotionalie gegenüber den USA ausgekommen, ohne das Verdienst als Land des Asyls schmälern zu wollen, doch es verzerrt, weil die eigentliche Domäne der Exil-Armenier Frankreich wurde. Abstriche, aber dennoch sehenswert. Übrigens: Böse Kritik und Verleumdungsklagen aus der Türkei, wo der Film nicht gezeigt werden darf.

4 Gedanken zu „„Wir sind noch da!“

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  2. Avatar von gkazakougkazakou

    Vielleicht noch zum Erinnern: Werfels Roman erschien 1933. Werfel scheint das Muster . des Genozids, das der jüdischen Volksgruppe in Europa drohte, wohl schon erahnt.

    Nach und teilweise gleichzeitig mit den Armeniern waren die Griechen dran, die Todesmärsche der Pontos-Griechen und die Ermordung so vieler Griechen, die seit tausenden von Jahren in Kleinasien siedelten, schließlich ihre vollkommene Vertreibung 1923 sind das andere düstere Kapitel in der Gründungsgeschichte des neutürkischen Staats. Sicher hat der „Hass“ auf diese Minderheiten vor allem mit der Politik der Briten und Franzosen zu tun, die beim Zerfall des Osmanischen Reichs sich einige Filetstücke sichern wollten und dazu die Minderheiten benutzten, und auf der anderen Seite die „Unterstützung“ der Vertreibungspolitk durch das deutsche Kaiserreich, das sich dadurch Einfluss auf den neu entstehenden türkischen Staat sichern konnte (diese bewährte „Waffenbrüderschaft“ fand ja wohl kürzlich in Deutschland peinliche Erwähnung). Hinzu kamen tiefe kulturelle Unterschiede zwischen den westlich orientierten, Handel treibenden Armeniern und Griechen und dem anatolischen Hirten- und Bauernvolk, ferner Neid auf den relativen Wohlstand und die immer einfache Anstachelung der Menschen zu schlimmsten Grausamkeiten, wenn ihnen keine Strafe, sondern sogar ein Vorteil winkt. Vor allem die Kurden zeichneten sich im Morden aus, und sie waren auch die Haupterben der Ermordeten – freilich nicht für lange. Denn bald schon wurden sie ihrerseits zur verfolgten Minderheit.
    Und so zeugen sich die Untaten fort und fort.

    1. Avatar von schlingsiteschlingsite

      Zur Durchführung des Völkermordes wurden vertriebene Balkantürken und aus der Haft entlassene Kurden eingesetzt. Hilfe bekamen die Armenier vor allem von Aleviten. 1938 wurden aus Derzim kurdische Aleviten umgesiedelt oder in großer Anzahl getötet.

  3. Avatar von fredoofredoo

    Was seltsam unerwähnt bleibt :
    Armenier sind Christen , sie gehören zu den ältesten christlichen Gemeinschaften in dieser Region … und sie hatten eine zwar kleine , aber doch durchaus mächtige Position in der islamischen Türkei , die trotz aller Laiisierungsbemühungen eines Atatürk halt islamisch war , ist , und bis auf weiteres sein wird.
    Letztlich zeigt sich das Schicksal der Armenier , systematischen Vertreibung und notfalls Vernichtung , in jedem islamischen Staat im Umgang mit Minderheiten , besonders wenn diese (noch) „mächtig“ sind. Diese Genozidreaktionen sind keinesfalls die Ausnahme sondern die Regel im Islam .
    Zuletzt zu „bewundern“ im Schicksal des Kosovo .
    Der Islam ist eine totalitäre , zutiefst faschistische Staatsideologie , die sich lediglich „religiös“ tarnt. Daraus ergibt sich ihre oberste Doktrin > DOMIMANZ … Doch noch nicht mal zuvorderst Dominanz im Religiösen , nein dezidiert und explizit im Quran so formuliert , und von seinen Gläubigen weltweit so praktiziert > DOMINANZ des Islam im Staatlichen , Politischen , Sozialen … und zwar als unabweisbare Aufgabe für jeden Gläubigen , und mit dem Anspruch under Fiorderung , dies weltweit zu erlangen ! … Da besteht also eine globale , totalitäre Erwartung der DOMINANZ … Das dies echte (!) Toleranz bereits ausschließt , bedarf wohl kaum einer Erwähnung … ( relative , zeitlich limitierte ) Toleranz wurde und wird nur soweit gewährt , wie sich der Dhimmistatus von Minderheiten als förderlich fürs islamische (!) System erweist … Besteht dieser Nutzen nicht , oder aber werden die geduldeten Minderheiten zunehmend unkonntrollierbar oder gar zu echten Konkurenten eigenen Bestrebens , ists vorbei mit Toleranz , und es erfolgt der Armenische Weg … Ein Szenario was sich durch die Historie hindurch und weltweit so wiederfinden lässt ( wenn man nicht die Sedierung des „ach so tolerenten und friedlichen Islam“ benutzt ) …
    Diese seltsam kitschig verbrähmte Mythos des „toleranten“ Islam ist > Mythos … Wenn überhaupt hat es eine relative Toleranz ( die aber über Duldung , die Nutzen zu bringen hatte !!! ) auch nur in kurzen Zeitspannen gegeben .
    Es gibt kein einziges belegbares historisches Beispiel für ein kooperierendes , dauerhaft (!) tolerierendes Zusammenleben von muslimischer Minderheit mit einer andersorientierten Mehrheit … Stattdessen setzt sich weltweit über kurz oder lang das DOMINANZ-Gebot des Islam immer im totalitären Masstab durch … bis heute !

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