Da, wo es weh tut, ist der Erfolg am schönsten. Eine derartige Aussage ist durchaus noch gebräuchlich und wird in vielen Lebensbereichen als positiv gewürdigt, obwohl sie nahezu aus dem öffentlichen Wortschatz getilgt ist. Davon gibt es viele. Und alleine diese Tatsache verrät bereits, dass ein Missverhältnis herrscht zwischen der real existierenden und der normativen Welt. Zwischen dem, wie die meisten Menschen das Dasein erleben und dem, wie es politisch korrekt und normativ vorgegeben wird.
Der offizielle, normative Code ist hinlänglich bekannt. Er ist durchdrungen von dem Moralin, das allgemein als politisch korrektes Denken bezeichnet wird. Das Weltfremde wohnt jeder herrschaftlichen Verordnung inne und atmet die verpestete Luft einer schlechten Grammatik. Sprachlich ist das in der Regel haarsträubend, aber wie sollte es auch anders sein? Zuweilen sind bestimmte Dechiffrierungsprogramme vonnöten, um herauszufinden, um welche Zielgruppen es eigentlich geht. Um den eingangs bemühten Satz zu reaktivieren: Auch bei der Bekämpfung dieses Codes tut es richtig weh. Es gilt also das Versprechen, dass der Kampf gegen das politisch Korrekte ein besonders Genussvolles Ende wird haben können.
Im wirklichen Leben, da wabern jedoch noch ganz andere Bilder herum, als in der artifiziellen Welt der normativen Kraft. Dort, in letzterer, ist selbstverständlich alles vorurteilsfrei, dort existiert keine Genderspezifik, dort ist alles nachhaltig und barrierefrei. In dieser Welt des social science fiction riecht es weder nach Menschen noch nach Dreck, nein, die vermeintlichen Verhältnisse sind synthetisch rein.
Und wie sehr unterscheiden sich diese Bilder von der realen Lebenswelt, in der die Ungleichheit mit dem Ressentiment, die Schäbigkeit mit der Intrige und der Existenzkampf mit dem Raub koexistieren. Und da sind sie dann auch, die Reden und Redewendungen, die von Stärke und von Kampf, von Heimtücke und von Gier berichten. Das Volk scheint zu wissen, wie es tatsächlich zugeht und nur diejenigen, die seit langem in der medialen Scheinwelt der digitalen Ideologie ihr Dasein fristen, adaptieren gleich Papageien den Neusprech, der letztendlichen Scheinwelten.
So ist eines bereits festzustellen: Nicht nur die soziale Schere entzweit die Gesellschaft in zunehmendem, furchtbaren Maße, sondern auch die Sprache und die in ihr benutzten Bilder unterscheiden sich gravierend. Und da Sprache nicht nur Medium, sondern auch Indiz des Denkens ist, treffen wir auf zwei Klassen mit unterschiedlichen ökonomischen Interessen und einer anderen Vorstellungswelt. Das war in allen Klassengesellschaften so, das ist nichts Neues, aber es hat sich eben auch nicht geändert. Und das mit politisch korrekten Attributen gespickte Neusprech ist die Sprache derer, die ihren Raub an der Allgemeinheit zu kaschieren suchen.
Da ist es doch gar nicht so dumm, sich darauf einzurichten, das harte Zeiten bevorstehen, dass eine Portion Schmerz mit einkalkuliert werden muss, will man nur der Wahrheit näher rücken. Jede Frucht, so heißt es da in der semantischen Unterwelt, jede Frucht hat ihren Preis. Und niemand ist dort, der den Preis nicht zahlen würde. Solche Leute bewegen sich nur auf der anderen Seite, denn sie klauen und nennen es nicht Diebstahl, sie betrügen und nennen es nicht Betrug und sie lügen und nennen es ihre Form der Berichterstattung. Da gilt es, die Wahrheit als eine Form der Enthüllung zu begreifen. Das Wort, schrieb Heine, das Wort geht der Tat voraus. Worauf warten wir noch?

Pingback: Das Wort geht der Tat voraus | per5pektivenwechsel