Wir sind doch nicht Dänemark!

Aus der Nähe, mit großer Empathie betrachtet, ist der Fall längst nicht so klar, wie viele das meinen. Die Psyche der Deutschen, als Nation betrachtet, besitzt eine ausgesprochene Volatilität. Diejenigen unter uns, die noch die Generation kannten, die selbst im Krieg gekämpft hatten und sich in einem der beiden daraus resultierenden politischen Systeme zurecht finden mussten, kennen noch den großdeutschen Gestus: Morgen sind wir auf den Champs-Élysées und was uns nicht kaputt macht, das macht uns nur noch härter. Das Imperiale, das Soldatische, hat im letzten Jahrhundert gleich zweimal das Bild des Deutschen nachhaltig geprägt. Weltkrieg I und Weltkrieg II wurden zwar verloren, der stierbeinige Bulle aber, der Hunne, der die westliche Zivilisation mal so richtig hernimmt, der ist in den Köpfen vieler Zeitgenossen so geblieben.

Und so schrecklich auch die militärischen und politischen Niederlagen waren, und so sehr sie die Seele auch belastet haben mögen, der Mythos, der nach außen strahlte, hat selbst die direkten Zeitzeugen glorreich überlebt. Er lebt fort in allen Bereichen, vor allem in Wirtschaft und Sport und noch zuletzt dort, woher er eigentlich kommt, nämlich im Militär.

Fast könnte man meinen, die Kriege unserer Tage würden im Fußball geführt, wenn man die Kommentare britischer, spanischer, italienischer oder französischer Journalisten zu Spielen liest, an denen Deutsche beteiligt waren. Da rollt der deutsche Panzer, da schlägt die deutsche Phalanx eine Schneise, da siegen immer die Deutschen und da ist es ein Triumph teutonischen Willens. Als hätten die Journale dieser Länder die Arsenale der einstigen Propaganda für billig Geld gestürmt und bedienten sich dieses Schundes inflationär.

Und, als sei es self fulfilling prophecy, dann kommen auch noch so Momente wie das 7:1 Deutschlands über Brasilien, die in die Geschichte als das Massaker von Belo Horizonte eingehen. Eigentlich bleibt da vielen, die das Gefühl der Dominanz noch richtig genießen können, nichts anderes übrig als sich einzuhaken in den alt bekannten, aber gar nicht mehr zutreffenden Kanon. Was da herauskommt, ist zumeist das Vokabular großer Schlachten und historischer Revolten. Dass dieses in der Wortwahl unserer zeitgenössischen Politik keinen Platz hat, versteht sich von selbst. Da wohnt der Zeitgeist, da strebt man nach Konsens und nicht nach Kampf, und deshalb klingt alles so langweilig.

Das ist nicht immer so gemeint, denn wenn zum Beispiel immer wieder gemahnt wird, wir müssten mehr Verantwortung übernehmen, dann ist das durchaus imperial. Das heißt dann, militärisch präsent zu sein, Krieg zu führen oder zu sanktionieren. Da geht es schon um die Murmeln von Herrschaft, aber die Diktion von der Verantwortung raubt der Sache den Eros. Das klingt dann wie ein Verwaltungsakt, und eben nicht wie ein richtiger.

Den Zulauf haben diejenigen, die sich vom Tom her martialisch geben und nicht jene, die tatsächlich und offiziell im heißen Geschäft sind. Den Applaus bekommen die verfetteten Hauskatzen und nicht die schlanken Kampfmaschinen. Das mag ungerecht sein, aber so ist das, mit der Aufarbeitung der Geschichte einerseits und der gerade laufenden Aktion andererseits. Nur manchmal, da spritzen die Worte einfach einmal so raus, wie kürzlich bei einer neuen Ministerin im Kabinett. Da jauchzte sie ins Mikrophon: Wir sind doch nicht Dänemark!

Es war ein Augenblick der Wahrhaftigkeit.

3 Gedanken zu „Wir sind doch nicht Dänemark!

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  2. Avatar von gkazakougkazakou

    “ jene, die tatsächlich und offiziell im heißen Geschäft sind.“ – Mögen viele, die auf die Lauten Martialischen draufhauen, weil sie glauben, „den Anfängen wehren zu müssen“, endlich begreifen, dass die smarten westliche-Werte-Verteidiger im heißen Geschäft sind. Sie sind es, die uns mit Macht in einen neuen Krieg treiben. Die bierbäuchigen „Ausländer-Raus-Schreier“ sind da eher zurückhaltend. Als ob sie wüssten, dass sie die Zeche werden bezahlen müssen.

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