Die notwendige Expropriation der Massenkommunikationstechnologien

Vieles von dem, was momentan unter der Überschrift der Digitalisierung zu beobachten ist, hat von der Methode her eine lange Geschichte. Unter Digitalisierung sei hier die Vernetzung unterschiedlichster Datendepots verstanden, auf die von einem bestimmten Punkt aus zugegriffen werden und die miteinander verbunden werden können. Neulich, in einem ganz anderen Kontext, gab eine Bildungspolitikerin den Hinweis, dass die Zukunft von Bildungsinstituten entscheidend davon abhinge, wie sie momentan mit den Chancen der Digitalisierung umgingen. Wer jetzt mit Programmen aufwarte, die das Bedürfnis nach autonomem, dialogischem Lernen bediene, sei seiner Konkurrenz voraus. Das stimmt sicherlich.

Aber es erinnert auch an die Marketingstrategien früherer Technologien. Ob Radio, Fernsehen oder später die Computer, die Charme-Offensive für weltweite Verbreitung und Nutzung begann immer mit dem Bildungsargument. Nicht nur im eigenen Land, auch in der Entwicklungszusammenarbeit wurde den genannten Medien eine entscheidende Rolle bei der Strategie der Emanzipation durch Bildung zugewiesen. Von der Argumentation war das nicht falsch, denn was mit dem Radio, dem Fernsehen und dem Computer gemacht werden kann, um Lernprozesse in Gang zu setzen und zu unterstützen, ohne dafür eine gewaltige Gebäude- und Infrastruktur aufbauen zu müssen, ist beeindruckend.

Das wurde mit jeder Technologiewelle auch so lange betrieben, bis die entsprechenden Geräte flächendeckend verbreitet waren. Was dann jedoch einsetzte, war eine konsequente Verabschiedung von dem Bildungsgedanken und eine ebenso konsequente Vermarktung. Bis auf die Nischen der unabhängigen, kleinen Sender, sind Radiostationen heute Reproduktionsstätten der Vergangenheit und Impulsgeber der Werbung, beim Fernsehen ist es nicht anders, nur wird dort wesentlich massiver manipuliert und die Computer und das Netz werden mehr zum Porno-, Gewalt-, und Trash-Konsum genutzt als zu Bildungszwecken. Warum das nach erfolgreicher Digitalisierung anders aussehen soll, bleibt das Geheimnis ihrer eigenen Propaganda.

Der momentane Eklat um die Firma Facebook bringt das Problem auf den Punkt. Da wird darüber lamentiert, dass Facebook Daten an politische Spin Doctors verkauft hat und diese dann die Facebook-Nutzer mit bestimmten, zielgruppenspezifischen Posts beeinflusst hätten. Das wird sicher so gewesen sein, ist bestimmt auch nicht die feine Art, aber der Skandal liegt woanders. Er liegt darin begründet, dass sich die Facebook-Nutzer von so etwas beeinflussen lassen. Wir leben in einer Realität, in der die technische Entwicklung bereits Meilen vor dem durchschnittlichen Bildungsgrad der Bevölkerung liegt. Welcher Mensch, der einen klaren politischen Standpunkt hat, lässt sich durch Gimmicks von wem auch immer so beeinflussen, dass er wen auch immer wählt, ohne dessen Programme zu analysieren und nach den eigenen Interessen zu bewerten und ohne selbst eine Prognose anzustellen, ob die eigene Option in der Lage ist, etwas positiv zu bewirken?

Böse gesprochen, verfügen wir nicht über die mentalen Voraussetzungen für die modernen Massenkommunikationstechnologien. Weder für das Radio, noch den Fernseher, noch die Computer und die damit verbundene Vernetzung. Oder, und jetzt wird es gefährlich, diese Technologien, die wir als die globalen Produktionsmittel bezeichnen müssen, sind in den Händen der Falschen. Im Grunde müssen diese Technologien in den Besitz und unter die Regie des Volkes. Nur so werden sie zu dem werden können, als was sie so gerne bezeichnet werden. Als Bezwinger der Unwissenheit, als geniales Arbeitsinstrument, als eine Domäne der Bildung.

8 Gedanken zu „Die notwendige Expropriation der Massenkommunikationstechnologien

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  2. Avatar von WilhelmWilhelm

    Bildung ist halt viel mehr als Wissensvermittlung. Autonomes, dialogisches Lernen wird nicht nur die Streichung vieler Lehrerstellen zur Folge haben, sondern auch eine ungeheuere Zunahme normgerechter Wissensanhäufung. Die Mädels und Junngs glotzen dann nicht nur noch auf ihre Handys, sondern zusätzlich auch im Unterricht auf irgendwelche Bildschirme, um normiertes Wissen für ihre Prüfungen in sich aufzusaugen. Offene Streitgespräche zwischen echten Menschen werden immer weniger Raum finden. Fragen, für die es keine Antworten gibt, werden gar nicht mehr gestellt werden. Stephen Hawking warnte davor, dass die Menschen möglicherweise dabei wären, sich selbst überflüssig zu machen. In ein paar Jahren werden sich vielleicht einige fragen: Wozu brauchen wir sie eigentlich noch? Sollen sie doch den Weg der Dinosaurier gehen! Na ja, warum eigentlich nicht?

  3. Avatar von almabualmabu

    Einverstanden mit dem Geschriebenen, bis auf die letzten drei Sätze, allerdings, denn die sind mir viel zu optimistisch! Ich fürchte leider, das Volk, also wir alle zusammen, sind auch nicht „die Guten“, die die Cyber-Daten-Krake in Schach halten können. Das hat etwas mit „normalem menschlichen Verhalten“, mit unbewussten Reflexen und mit Suchtverhalten zu tun. Mir erzählte einmal vor Jahren eine leibhaftige Landesministerin, angesprochen auf die offensichtliche Differenz zwischen Programm, Anspruch und konkretem Handeln, ich solle mir keine Sorgen machen, denn die Menschen würden das Negative in drei Monaten und damit rechtzeitig vor den Wahlen wieder vergessen haben! Was soll ich sagen, sie hatte vollkommen Recht!

  4. Avatar von vfallevfalle

    Ich empfehle dazu das Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ von Neil Postmann. Es ist 1984 erschienen. Darin macht sich Postmann Gedanken über die Manipulation der Menschen durch das Fernsehen. Siehe: http://www.zeitgeistlos.de/buecher/postman_zutode.html

    Im Gegensatz zum Fernsehen hat das Internet nun allerdings einen Rückkanal. Und weil es uns das Leben ja so einfach macht, manchmal auch noch Zugriff auf Informationen von unseren Computer und Smartphones. Natürlich nutzt das die Werbebranche.
    Ja wir werden lernen müssen damit umzugehen – mit dieser schönen neuen Welt.

    Wer sich ein Bild davon machen Möchte wie sich die Werbebranche menschliche Schwächen zu Nutzen machen möchte, dem empfehle ich einen Blick in die Programme der Neuromarketingkongresse (http://neuromarketing-wissen.de/kongress/programm). Ja, so etwas gibt es.

  5. Avatar von BludgeonBludgeon

    In den Händen des Volkes? Hm. Klingt nach VEB. Oder aber nach ARD Rundfunkrat. Das funtzt alles auch nicht. Irgendeiner muss ja den Vorsitz haben und der ist dann auch nur ein Mensch und korumpierbar.
    Der spruch: Fernsehen macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer (auch aktualisierbar auf Internet/Facebook usw.) ist als ewige Weisheit leider zu akzeptieren.

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