Es war einmal vor vielen Jahren. Da erdreistete sich ein Satire-Journal und ging in den Heimatort eines gerade avancierenden Politikers. Da sich der Mann durch allerlei unbesonnene und absonderliche Äußerungen auszeichnete, versuchte das Redaktionsteam herauszufinden, wo es hätte passieren können, dass der Politiker als junger Mensch bereits hätte ausgleiten, herunterfallen oder abstürzen und sich den Kopf so stoßen können, dass er zerebrale Schäden hätte davontragen können. Das Satire-Magazin trug den Namen Titanic und die Story, um die es sich handelte, trug den Titel „Was brummt denn da im Kopf des Doktor Stoiber.“
Letzterer war damals noch Adlatus des Urviehs Franz Josef Strauß und er galt als der Hoffnungsträger der Partei. Es war zwar gefährlich, so etwas öffentlich zu äußern, solange der Übermächtige noch lebte, aber die verdeckten Strategen, die wussten, wovon sie sprachen. Edmund Stoiber, so munkelten sie, der wird mal der Chef aller Bayern und damit der Thronfolger des Konservatismus in Deutschland. Die Geschichte hat diese klugen, verdeckten Köpfe zumindest in der ersten Annahme bestätigt.
Ob die Story aus der Titanic eine gelungene war, sei dahingestellt. Wahrscheinlich kam sie in gewissen Kreisen gut an, in anderen wiederum wird sie vermutlich und berechtigterweise als sehr flach abgelehnt worden sei. Nur eines ist gewiss: Das, was dort die Redakteure des besagten Magazins veranstaltet hatten, war weder unüblich noch wurde es verunglimpft. Die damalige Satire war es gewohnt, kräftig auszuteilen und die damaligen Menschen hatten Übung darin, auch einmal richtig etwas einstecken zu müssen. Weder Titanic noch Stoiber haben in dieser Angelegenheit je über Gerichte kommuniziert.
Heute wäre hier, im zeitgenössischen Deutschland, die Sachlage eine andere. Wahrscheinlich wäre die Ausgabe der Titanic längst als Organ der Hasspredigt beschlagnahmt. Ob Stoiber als Vertreter seiner Generation Anzeige erstellen würde, ist unwahrscheinlich, ein Vertreter der jüngeren Generation hätte das längst getan und schnell würde eine Formulierung kursieren, die darauf hinausliefe, unsere Werte schlössen derartige Hassbotschaften aus. Damit wären wir in der Gegenwart angekommen und hätten das Senkblei genau in den Spalt fallenlassen, der die Humorlosigkeit unserer Welt beschreibt.
Andererseits! Und da sind wir schon an dem Debakel unserer Zeit, mischen wir ordentlich mit, wenn es sich um Hassbotschaften handelt, die sich gegen jene richten, die sich als unsere Feinde etabliert haben. Dann sind wir bereit, den letzten Schund in Kauf zu nehmen, um unser Weltbild zu bestätigen. Gegenwärtig existiert zum Bespiel ein ganzer Kanon von Büchern, die es der Reizfigur Donald Trump besorgen. Nichts dagegen, jemand, der so austeilen kann wie er, muss auch in der Lage sei, ebenso harte Botschaften einzustecken. Das gehört zur Übung und ich bin mir sicher, Trump ist der letzte, den das stört.
Was mich jedoch stört, ist das Ideologische daran. Es scheint eine Gilde von Moralrichtern zu geben, die meinen, sie könnten entscheiden, wem es die Satire besorgt. Wer sich über starkem Tobak gegenüber Donald Trump erfreut, bei ähnlichem gegenüber Hillary Clinton den Humor verliert, der hat den Sinn der Übung nicht verstanden. An Verkommenheit und repressiver Phantasie steht sie Donald Trump um nichts nach und daher muss sie Bestandteil satirischer Kritik sein. Es hat sich also sehr viel getan, im Laufe der Jahrzehnte, und der liberale Geist hat mächtig gelitten.

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Tja, wir Weicheier von Heute sind nur noch gut im Austeilen, nicht im Einstecken und ja, wir messen ganz offenkundig mit zweierlei Maß. Ich bin mir dessen persönlich durchaus bewusst und versuche dies auszugleichen. Ob es mir nie/selten/gelegentlich/häufig/immer gelingt, das müssen jedoch Andere beurteilen 😉
Wir befinden uns halt im Krieg. Da muss man gewisse Werte, wie Humor oder Freigeistigkeit halt verzichten. Erschwerend kommt hinzu, dass keiner genau weiß, oder auszusprechen wagt, gegen wen wir denn nun so eifrig Krieg führen.
Faschismus breitet sich aus, Merkmal ist Humorlosigkeit, der vom unbedingten Glauben herrührt, vom Fanatismus. Da kann eine Satire leichthin den Tod bedeuten, ein schiefer Blick Prügel einbringen. Ein Mann in einer Bahnhofshalle erwiderte zwei SS-Leuten auf deren Ruf »Heil Hitler!!«, sie mögen ihn doch selber heilen und wurde sogleich mitgenommen. Das war – tja, wann wird das wohl gewesen sein.
Alle 10 Daumen unserer Gruppe zeigen nach oben.
Nach Warren G. Harding (25. President) gab es wohl keinen (in seiner Amtszeit) populären Republikaner mehr. Die Demokraten erscheinen stets, glatter, attraktiver (o.k., Hillary ausgenommen, aber sie ist charmant vor der Kamera) und kompetenter – obwohl unter Demokraten die meisten der gefährlichen Krisen und gröbsten Fehler entstanden. In den US verzeiht man einem gutaussehenden Presidenten alles.