Von Migranten und Wölfen

Wenn etwas zu viel wird, dauert es nicht lange, bis der Ruf nach der Grenze laut wird. Das ist kein sittenwidriges Ansinnen, denn wenn ein Zustand der Überlastung erreicht ist, muss die Frage erlaubt sein, wieviel ein Mensch, eine Gruppe oder auch eine Gesellschaft von einem gewissen Phänomen ertragen kann. Die Frage ist immer, ob die betroffene soziale Einheit mehr als ein gewisses Quantum bewältigen kann, ohne selbst irgendwann überfordert zu sein. Manchmal jedoch ist es nicht das Phänomen, das alles zu überstrahlen droht, sondern das Selbstbild und die damit verbundene Kompetenz, die gewaltig ins Wanken geraten ist. Die eigene, selbst definierte Welt gerät aus den Fugen, und plötzlich steht ein Phänomen, das sich in seiner Quantität verändert, im Mittelpunkt der Ursachenforschung.

Ein Begriff, der mit einer solchen Situation in große Mode gekommen ist, ist der der Obergrenze. Die CSU als staatsbayrische Partei geht mit diesem Begriff seit 2015 hausieren, als wäre es der Schlüssel zur Lösung aller Probleme. Sie selbst meint damit die Aufnahme von Migranten, unabhängig von dem in der Verfassung definierten Status. Haben wir erst eine solche Obergrenze, dann ist die Republik wieder in einer Situation, die als geregelt beschrieben werden kann. Einmal unabhängig davon, dass es tatsächlich quantitative Grenzen gibt, egal bei welchem Phänomen, die irgendwann dahin gehend überschritten sind, dass sich die eigene Qualität ändert, blendet die Politik der bayrischen Obergrenze die Ursache gänzlich aus: man kann nicht als aktive Kriegspartei so tun, als habe man mit den Ursachen nichts zu tun.

Die globale Mobilität lässt Kriegsopfer auch schon mal in München ankommen. Wenn es eine Konsequenz aus der ohne Zweifel zu konstatierenden Massenflucht geben sollte, dann wäre es eine Offenlegung der Motive, warum deutsches Militär in Syrien tatsächlich mitmischt. Und dann wäre zu fragen, ob die Produktion von Flüchtlingen in einer Relation zu den Zielen steht, die dort verfolgt werden. Wäre eine Presse unterwegs, die solche Fragen stellte, wären auch andere Wahlergebnisse vorstellbar.

Von Marx stammt das geflügelte Wort, dass in der Geschichte vieles zweimal vorkomme, einmal als Tragödie und einmal als Farce. Die Farce spielt sich gerade im Freistaat Sachsen ab, wo die dortige Landesregierung nun angesichts des angewachsenen Wolfsbestandes damit begonnen hat, eine Wolfsobergrenze zu fordern. Was damit bezweckt werden soll, ist klar. Man will den Klagen aus ländlichen Gegenden nachgeben und die seit mehr als einhundert Jahren vertriebenen und nun zurückgekehrten Wölfe wieder zum Abschuss freigeben. Inwieweit sich die Klagen über wachsende Schäden an Schafbeständen und einer gefühlten Unsicherheit der dort noch verbliebenen menschlichen Population mit tatsächlichen Schäden decken oder ob es sich um eine Hysterie handelt, ist momentan nicht ermittelbar. Sicher ist, dass es sich rein rhetorisch bei dieser Angelegenheit um eine lupenreine Reproduktion der bayrischen Obergrenzendebatte handelt.

Auch wenn es schwierig wird: Einer der Vorwürfe gegen die Radikalisierung immer größerer Kreise der Bevölkerung ist der, dass dort zunehmend die Kompetenz fehle, mit der Komplexität der Welt angemessen umzugehen und dass es nicht funktioniere, nach einfachen, monokausalen Lösungen zu suchen. Richtig. Umso schlimmer ist es, wenn Politik genau dieses vormacht. Ob bei Migranten oder Wölfen.

4 Gedanken zu „Von Migranten und Wölfen

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  2. Avatar von almabualmabu

    Das Problem globalisierter Flüchtlingsströme ist nicht ohne das Problem globaler Kriege, globaler Rohstoff- und Energieausbeutung, globaler Exportoffensiven, globaler Kapitalbewegungen, globaler Steuervermeidung, globalen Abbaues der Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten auf der nach unten NICHT(!) endlosen Abwärtsspirale globalen Elends zu sehen, zu bekämpfen und zu lösen, fürchte ich?

  3. Avatar von fredoofredoo

    zu Almabu … auch das ist eine monokausale Betrachtungsweise … denn sie vergisst , dass es schon immer Ausbeutung , Kriege und und gegeben hat …
    Warum taucht dann jetzt und heute eine millionenhafte Zahl von (angeblich) Betroffenen dieser Ursachen im SchlaraffenDeutschland auf ?
    Könnte es stattdessen sehr viel mehr mit einem jetzt für die Millionen erreichbaren SchlaraffenLand zu tun haben ?
    Und woher rührt denn ihre Sehnsucht nach SchlaraffenEuropa , am besten jedoch SchlaraffenDeutschland ?
    Warum Deutschland ist leicht festzustellen … Es ist das Land mit der schlaraffenhaftigsten Ausstattung seiner Versorgungsregularien , die eintreffenden „SchafsFlüchtlingsWölfen“ nahezu unbegrenzt ein echtes SchlaraffenlandNiveau versprechen … Eine Versorgung ohne Eigenleistung in Form von Arbeit , und das zum Niveau eines Monatsgehaltes eines Chefarztes in den Heimatregionen … wer würde da nicht „fliehen“ wollen ?…
    Dazu noch ohne eine eidhafte Ablegung eigener Dominanztraditionen ( wie in den USA obligatorisch ) …
    Das nenne ich Schlaraffenland … Das zwangsläufige PrimärZiel jedes vernünftigen Abwägers von Vorteilen einer Wanderung .
    Dazu erwähnt … warum wird jetzt häufig erstmals > Wanderung erwogen ? …. und zwar in Millionenzahl !..
    Aus Kriegsgründen ? … Krieg ist in vielen Regionen jahrzentelanger Normalzustand … warum dann jetzt > Wanderung ?
    Aus Gründe der Ausbeutung durch Europäer ? … hmmm , diese ist auch Dauerzustand dort und hat ihre Komplizen in den eigenen Eliten gefunden …
    Ahhh ! Stichwort „Eliten“ … könnte es da seine Gründe finden … dieser Zug der Millionen ?
    Sicherlich in hoher Bedeutsamkeit … denn … und darin sehe ich die „Gründe“ !!! und nicht in Krieg und Ausbeutung als – jetzt plötzlich – wirkender Auslöser …
    was hat sich denn in den Fluchtregionen massiv ( ! ) verändert und was könnte damit das „plötzliche“ überhaupt erst begründen … ?
    Es findet sich keine steigernde Kriegsbelastung … ( dazu bemerkt , über 80 % der Syrischen Flüchtlinge , stammen gar nicht aus Kriegsregionen wie Aleppo sondern aus den nach wie vor recht friedlichen Regionen Damaskus … )
    Es findet sich keine der Normalbevölkerung bemerkbar werdene vermehrte Ausbeutung … diese wird immer raffinierter und getarnter …
    Was dann zum Teufel hat sich in diesen Regionen kulminierend (!) ereignet ? … so dass Millionen jetzt gen Schlaraffenland ziehen ( und nicht schon vor Jahrzenten , als Deutschland auch schon Schlaraffenland war und die Regionen ebenso unter Krieg und Ausbeutung zu leiden hatten ) ???

    Es findet sich nur eines …. was halt kulminierend ist in diesen Regionen … ( und übrigens nicht bei uns ! sonst wären die europäischen Söhne auch auf Wanderung ) …

    Die Bevölkerung ( und damit überwiegend die mobilen 2.ten und 3.ten Söhne , muit Handy und modischer Jeans ) hat sich in den letzten 50 Jahren dort mehr als verSECHSFACHT !
    Und das bei nahezu gleichbleibender Wirtschaftsleistung dieser Regionen … teilweise sogar zurückgehend … soll heißen ein neugeboreren 2.ter Sohn hat schlicht keine Chance dort … und das , genau DAS , findet dort kulminierend (!) statt … und das , genau das , lässt die Boote füllen , und die Schlepperei zum lukrativsten aller Professionen werden …
    Mit Krieg und Ausbeutung hat das nur indirekt zu tun …
    Krieg und Ausbeutung hat sicherlich ein moderates Wachstum der dortigen Wirtschaft verhindert bzw. zumindest behindert .
    Den Zug der Millionen hätte dies aber höchstens etwas minnimiert …
    Denn eine Wirtschaft , die SECHSFACHE Bevölkerung ernähren könnte , und vor allem , Hoffnung und Chance auf soziale Teihabe bieten könnte , ist völlig unmöglich …

    Was ist zu tun ? … für uns SchlaraffenlandAnbieter ? … damit wir nicht alsbald selbst gen anderes Schlöaraffenland zu ziehen haben werden ?

    Sicherlich muss erstmal die Chance (gen Schlaraffenland zu reisen) vermindert werden … ob es da zu Gewalt mit Kanonenbooten und Gewehren kommen wird , ist unsicher … ( ich halte es jedoch für nahezu unvermeidbar , spätestens dann wenn unsere Region selber in wirtschaftliche Bedrängnis gerät und sie völlig zwangsläufig , die reinen Versorgungsergatterer abschütteln wird . Jetzt kann man sich (noch !) als fetter und gutgenährter Deutsche ein „humanes Lätzchen“ zur Sedierung eigener Vergangenheiten leisten. Wenn es jedoch ans Eingemachte geht , werden sich die „weit geöffneten Arme“ verblüffend schnell zur vertreibenden Faust formen – diese Prognose wage ich zu stellen …)

    Was jedoch heute und sofort und völlig im Rahmen unserer (selbst gegebenen und damit ja auch veränderbaren ) Verfassung zu ändern wäre , ist der Charakter des Schlaraffenlandes …
    Man gebe Schutz – aber halt NUR Schutz … und keine Versorgung !
    Man gebe Asyl – aber nur für den , für den die Regeln des GenferAbkommens zutreffen ( übrigens ein freiwilliges Abkommen und kein göttliches Gesetz , das spätestens dann obsolet wird , wenn der Schutzgewährende selber zum Schutzbedürftigen zu werden droht ! ) .
    Man gebe auch die Chance zur Teilhabe in Form von echter Einwanderung … aber dann zu den Bedingungen , die für die „neue Heimat“ passend und lukrativ (!) erscheinen …

  4. Avatar von UtesandigArabella

    Nicht alle Nachrichten, die Sie lesen, stimmen.
    Als Sächsin bitte ich Sie, glauben Sie mit, hier gibt es mehr Waschbären als Wölfe.

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