Die Leere im öffentlichen Raum

Ein Blick auf die Objekte im öffentlichen Raum reicht aus. Nichts, was nicht auf eine epochale Entwicklung hindeutete. Die Ära, in der wir uns befinden, ist die des Eklektizismus. Stilrichtungen mit einem unverbrüchlichen Charakter, einer deutlichen Ästhetik und einer frappierenden Sinngebung ist unter den gegebenen Umständen eher die Ausnahme. Das Geniale der Individuation einer Klasse ist der sozialen Diversifikation zum Opfer gefallen und die großen Ideen, die ganze Zeitalter gefesselt haben, werden zu oft verscherbelt an den opportunistischen Deal der da heißt Konsensdemokratie. Darunter leidet nicht nur die mentale Volksgesundheit, sondern auch die platzierte Architektur, die in ihrer Mediokrität noch eskortiert wird von Planfeststellungs- und Anhörungsverfahren, die nicht unbedingt zur Schönheit beitragen.

Was will man erwarten, wenn Ideen vom Prinzip her so verwässert werden müssen, dass sie nichts mehr aussagen, wenn Positionen so vernebelt werden müssen, dass sie nicht mehr zu orten sind und das Werte so verwischt werden müssen, dass sie nicht mehr darstellbar sind. Man hat das Gefühl, als seien alle Metaphern zum Teufel gejagt. Alles, was große Ideen vergegenständlichen könnte, gilt als Blasphemie, als wären wir in einer intellektuellen Phase der radikalen Islamisierung. Vergegenständlichung von Ideen allein über die große Idee sind bereits Gotteslästerung. Doch während im Islam hinter dem Verbot der Vergegenständlichung unübersehbar das Gebot der Demut sichtbar wird, ist die Auflösung der Metaphern im Orkus der Postdemokratie wohl eher die Sinnentleerung der politischen Vision zu vermuten.

Kunst im öffentlichen Raum war immer das Koordinatensystem für das Denken und Werten der sich darin bewegenden sozialen Wesen. Ihre Ängste, Flüche und Visionen ein Rekurs auf die Verarbeitung der konkreten Geschichte im kollektiven Lernprozess. In den Gesellschaften von Pionieren deutet vieles auf Schlichtheit und Stärke, in den kulturell gesetzten Formationen verrät diese Architektur das Sublime und eine hohe Stufe der Zivilisation, in den totalitären Staaten das Monströse und in den Niedergehenden die konzeptionelle Inkonsistenz und das Nichtige.

Sehen wir uns die aktuelle Architektur im öffentlichen Raum an, dann müssen wir leider feststellen, dass der Pioniergeist nirgendwo, das Gesetzte allenfalls sporadisch und das Nichtige flächendeckend zu verzeichnen ist. Die Botschaft, die wir mit jedem Mahnmal der Nichtigkeit und des Eklektizismus, das wir aufstellen und an die Nachwelt senden, ist der Verweis auf den mentalen Niedergang einer Gesellschaft, die von den zischenden Fragen der Zeit, die an sie gestellt werden, maßlos überfordert ist. Da ist keine Idee in Sicht, unter deren Leitung die Expeditionen in die Problemlösung beginnen könnten, da ist keine große Vision, von der Individuen oder Klassen besessen wären, die die Rolle von Treibern gerne übernähmen. Da lauert die Missgunst in jeder Fuge und die entsprechende Ästhetik ist die des Überdrusses.

Selbst das Wagnis in das Unbekannte lässt sich nicht mehr darstellen, die Reise in eine Sphäre, von der noch niemand weiß, wie man in ihr überlebt. Kein Überleben in der Höllenqual und kein Bacchanal auf einem neuen Stern. Nein, die soziale Utopie scheint allenfalls in Archiven, aber nicht mehr im öffentlichen Raum unserer Breitengrade anzutreffen zu sein. Der Flaneur, das gedachte Subjekt der assoziativen Moderne, lebt in schlechten Zeiten, wenn er durch unsere Straßen und über unsere Plätze schreitet.

3 Gedanken zu „Die Leere im öffentlichen Raum

  1. Avatar von Dr. Hartwig MalyDr. Hartwig Maly

    Wie gewohnt geht auch bei diesem Artikel die M7-Sonne auf. Erlaubt einen Blick hinter den Horizont. Inhaltlich profund und formal wie ein zartes Filet auf der Zunge zergehend. Ich hätte gerne von lyrischem Artikel geschrieben – alleine es fehlt die Versform. Die Lyra könnte ich mir zur Not noch vorstellen.

  2. Avatar von monologemonologe

    „…als wären wir in einer intellektuellen Phase der radikalen Islamisierung.“ – das darf man ruhig glauben. „Da ist keine Idee in Sicht…“ und doch gibts in unserer Geisteskultur so viele, auf die man sich in der Not verlassen kann, weil sie aus ihr geboren wurden. Aber diese Überlieferung wurde komplett abgelegt, beinahe jedes Zeugnis davon ist mindestens vergessen, wenn nicht verrraten – da war kein Scheiterhaufen nötig, die Scheißegalität und die Herrenmenschen-Arroganz der Dummheit ist viel gründlicher im wahrsten Sinn des Wortes. Aber was hilft der Jammer? Bevor im Traum Opa unter meinem Fenster durch den Torbogen zurück ins Altenheim geht, sagt er stets zu mir hinauf „Konvertieren, bevor du ins Konvertierungslager kommst!“. Er sagt nicht, in welchen Glauben. Und so glaub ich, was ich fühle. Und es bleibt nicht viel Unglaube übrig.

  3. Avatar von andreaandrea

    Gut geschrieben…wie ich finde…wünsche dir einen schönen MITTWOCH….und weiterhin viel ERFOLG beim SCHREIBEN……leider ist unsere UmWELT im zu schnellen stetigen WANDEL..das führt AUTOmatisch irgendwann zur ISOLATION……LG ANDREA:))

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